Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
überrascht. In einem Ausbruch kalter Raserei schnitten die Bauern den Soldaten Ohren und Nasen ab, hackten ihnen die Hände und Füße ab und stachen ihnen schließlich die Augen aus, worauf sie die Opfer lebendig ihrem Schicksal überließen. Die Antwort des schwedischen Heeres kam unmittelbar: An einem einzigen Tag sollen als Rache 200 Dörfer niedergebrannt worden sein.
Am 7 . Mai hielten Gustav Adolf und Friedrich V., der böhmische Winterkönig in höchsteigener Person, ihren triumphalen Einzug in Bayerns Hauptstadt. (Die Brandschatzzahlung stellte einen Rekord dar: 30 000 Reichstaler.) Sie nahmen von einer knienden Delegation von Münchens Stadtältesten die Schlüssel der Stadt entgegen, sahen eine Parade der schwedischen Truppen, spielten ein wenig Ball auf dem Platz des geflohenen Kurfürsten Maximilian und nahmen seine feine Kunstsammlung in Augenschein, die sie anschließend, wie ein Historiker schreibt, «ebenso gründlich plünderten, wie die Bayern zehn Jahre zuvor Heidelberg geplündert hatten».
Gustav Adolf und seine Truppen standen nun auf dem gleichen Breitengrad wie Wien – und übrigens auch Paris; so weit nach Süden waren sie gekommen. Eigentlich wollten sie weiterziehen zur großen Stadt der Habsburger, aber die Armee blieb in München stehen, um die Entwicklung im Nordosten abzuwarten. Im April hatte ein alter Feind wieder den Schauplatz betreten, der lange und magere Wallenstein, schreckenerregender und absonderlicher denn je. Er war überspannt und nervös, konnte keine Geräusche mehr ertragen, weshalb er den Leuten verboten hatte, in seiner Gegenwart Stiefel und Sporen zu tragen, und es wurde erzählt, dass er jedes Mal, wenn er in eine Stadt einzog, seinen Männern befahl, alle Hunde und Katzen zu töten; er war launisch und wechselte blitzschnell zwischen Freundlichkeit und Drohungen; in seinem Gefolge hatte er auch einen eigenen Henker, der die Aufgabe hatte, auf der Stelle verschiedene Urteile zu vollstrecken – unter anderem hatte Wallenstein einen Diener hinrichten lassen, weil dieser ihn aus Versehen geweckt hatte. Aber dem alten Misstrauen und den neuen Geschichten zum Trotz hatte der schwer angeschlagene Kaiser sich genötigt gesehen, den abgemusterten, doch vermögenden Feldherrn in Gnaden wieder aufzunehmen. Nun war er zurück, und er verfügte über die enormen Mittel, die erforderlich waren, um eine neue, große Armee aufzustellen, die den Schweden entgegentreten konnte. Sächsische Truppen, dicht gefolgt von freudig zurückkehrenden Exulanten, waren während des Herbstes in Böhmen eingedrungen. Doch Wallensteins Heer eroberte Prag rasch zurück und begann, die lasch geführten Sachsen erneut aus dem Königreich zu drängen. Mit dieser neuen Bedrohung im Rücken war das schwedische Heer bei München gezwungen, aufzubrechen und wieder nach Norden zu stiefeln. Nürnberg hatte sich dem
Corpus evangelicorum
angeschlossen, das Gustav Adolf zuvor so warm befürwortet hatte, und dorthin zog das schwedische Heer.
Hier bei Nürnberg entwickelte sich während der folgenden heißen Sommermonate ein merkwürdiger und verheerender Abnutzungskrieg. Von herannahenden kaiserlichen und bayerischen Streitkräften bedroht, gruben die Schweden sich in engem Anschluss an die Stadt ein. Wallenstein, der ein höchst vorsichtiger General war, wollte vermeiden, mit seinen unerprobten und nicht in allen Teilen gut bewaffneten Truppen dem schwedischen Heer entgegenzutreten. Stattdessen griff er nach der gebräuchlichsten Waffe eines Feldherrn des 17 . Jahrhunderts: dem Hunger. Im Norden, Süden und Osten von Nürnberg hatten katholische Streitkräfte die wichtigsten festen Punkte eingenommen, was bedeutete, dass die schwedische Armee nur nach Westen offene Verbindungen hatte. Aber Wallensteins Heer schwenkte nach Nürnberg hinunter und setzte sich neben der bewaldeten Burgstallhöhe unmittelbar westlich der Stadt fest, und nur ein kleiner Fluss lag zwischen ihm und den Schweden. Ein ungeheures befestigtes Lager wuchs in kurzer Zeit aus dem Boden, auch die Leute vom Tross und die vielen Frauen im Gefolge des katholischen Heers beteiligten sich an den in großer Hast vorangetriebenen Arbeiten. Die Schweden waren eingeschlossen, und ihre Versorgung war abgeschnitten.
Als Erstes ging das Futter aus, und die Pferde starben zu Hunderten. Dann wurde das Salz knapp, was einer kleinen Katastrophe gleichkam, denn der Sommer war heiß, und Salz wurde zur Konservierung der Lebensmittel, die man trotz allem
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