Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
gesamte auswärtige schwedische Administration dorthin verlegt würde.
Doch dies alles darf einen nicht dazu verleiten zu glauben, dass die Kaufleute in Hamburg nur mit den nächstgelegenen Ländern Geschäfte machten. Die Stadt war ein internationales Handelszentrum ersten Ranges. Ein beeindruckter Schwede berichtete, dass im Hafen «die Schiffe wie der größte Fichtenwald stehen, aus Hispanien, Indien, Italien, Engeland, Frankreich, Holland, Dänemark, Schweden, Norwegen. Und auf manchen wehen so rote und lange Flaggen wie auf einem Drachen». Schiffe kamen mit Fisch von Island, mit Ladungen von Wein, Gewürzen, Früchten, Öl, Zucker oder Tabak aus der Levante, der Türkei und Brasilien. Schiffe aus Afrika, Asien oder der Neuen Welt waren nichts Ungewöhnliches, sondern eine Selbstverständlichkeit, denn zu dieser Zeit hatte die alte Ordnung, in der die Ostsee eine und das Mittelmeer eine andere wirtschaftliche Einheit war, einer neuen Platz gemacht, in der die ganze Welt einen einzigen, locker zusammengehaltenen Wirtschaftsraum mit Europa als Zentrum ausmachte. War das 16 . Jahrhundert die Zeit der Entdeckungen und Eroberungen, so war das 17 . Jahrhundert die Epoche, in der das Gefundene, Gewonnene und Gestohlene gesichert, befestigt und verteilt wurde und in der die europäischen Handelswege sich wie Polypenarme um den Erdball schlangen. Der Europäer nahm das Schwert des Conquistadors in seine linke Hand und griff stattdessen nach der Waage des Kaufmanns: Von Amsterdam, London, Hamburg, Sevilla und den anderen großen Handelsstädten wurden Tuche, Kleider, Schmiedewaren, Metalle, Schusswaffen, Alkohol, Pfeifen – und Soldaten verschifft; und zurück kamen teils die üblichen Luxusprodukte wie Gold, Perlen, Ebenholz, Teak, Elfenbein, Porzellan und Seide, teils ein Strom von Waren, die bis dahin den Reichen vorbehalten gewesen waren, die nun aber so billig wurden, dass gewöhnliche Leute sie zum ersten Mal kaufen konnten, wie beispielsweise Tabak, Zucker, Baumwolle, Gewürznelken, Pfeffer und Muskatnuss.
Wer in diesen Jahren an den Küsten Afrikas, Asiens oder Amerikas entlangsegelte, konnte auf eine Perlenschnur von europäischen Handelsstationen und kolonieähnlichen Ansiedlungen stoßen. An Afrikas Westküste lagen die französischen und portugiesischen Besitzungen Mazagán, Arguim und St. Louis, danach folgte die sogenannte Goldküste, an der das englische Cormantine und das niederländische Elmina lagen; im heutigen Angola lagen die portugiesischen Niederlassungen Luanda und Benguela, und weiter südlich, am Kap der Guten Hoffnung, gab es bereits eine kleinere holländische Ansiedlung; die afrikanische Ostküste war von den kleinen Ansiedlungen der Portugiesen gesäumt, die sich in einer langen Kette von Lorenco Marques im heutigen Mozambique bis nach Mogadischu im heutigen Somalia erstreckten. Auch an den Küsten Asiens reihten sich die europäischen Landeplätze aneinander, von Aden und Maskat auf der arabischen Halbinsel über die Trauben von Handelsstationen entlang der indischen Küsten – Diu, Durat, Daman, Goa, Mangalur, Trankebar, Serampur – bis zu den europäischen Besitzungen auf Sumatra, Java, Borneo und den Philippinen sowie der von den Holländern kontrollierten Insel Formosa und der einzigen Kolonie in dem großen und mächtigen China, dem portugiesischen Macao. (Australien war zu dieser Zeit zwar entdeckt, wurde aber nur sporadisch besucht.) Im westlichen Teil von Südamerika und in Mittelamerika hatten die Brutalität der Conquistadoren, der Hunger der spanischen Krone nach Silber und insbesondere all die unbekannten Krankheiten, die die Europäer mitbrachten, die alten Hochkulturen der Azteken, Maya und Inka ausgelöscht, und auf deren leichenübersäten Ruinenhaufen waren die Vizekönigreiche Neuspanien und Peru errichtet worden – dort konnte man auch etwas sehen, das es in anderen europäischen Besitzungen nicht gab, nämlich richtige Städte mit Kathedralen, Universitäten, Klöstern, Druckerpressen; entlang der Küste Brasiliens gab es ein Mosaik von portugiesischen und holländischen Besitzungen: das reiche Pernambuco, Essequibo, Rio de Janeiro und andere; die karibische Inselwelt wurde gerade zwischen den verschiedenen europäischen Seemächten aufgeteilt; und an der Ostküste Nordamerikas lagen seit einiger Zeit englische, holländische und französische Besitzungen. Das Muster lag allerdings nie fest, sondern änderte sich ständig; neue Besitzungen kamen dazu, und alte
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