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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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jetzt zerstörten Hochkulturen in den Anden und Mexiko? Andere berichteten von dem ebenso mystischen Cibola mit seinen sieben Städten aus Gold, das noch keiner gefunden hatte. Dasselbe galt für das reiche Land Saguenay, das Berichten zufolge gerade im Norden liegen sollte. Zahlreiche Expeditionen hatten sich auf den Weg gemacht, um den einen oder anderen dieser wundersamen Orte zu finden; viele waren in Conquistadorenart losgeritten, mit Morion, Muskete und arrogantem Blick, um nie wieder gesehen zu werden, spurlos verschwunden in irgendeiner der Wüsten, einem der Sumpfgebiete oder der unendlichen Urwälder, an denen die Neue Welt so entsetzlich reich war. Diese verborgenen Schätze hatten ihre Wächter. Alle kannten die Geschichten von all den merkwürdigen Völkern und nackten Kannibalen und Menschenopferern und kriegerischen Amazonen, von
kynokephalus
, die Gesichter hatten wie Hunde, und von
akephalus
, die keine Schädel hatten, sondern Augen, Nase und Mund auf der Brust trugen; oder vom
monopedus
, dessen untere Extremitäten aus einem einzigen riesigen Fuß bestanden.
    Doch aus dem Urwald kamen weder Akephalen noch Amazonen, sondern stattliche Männer. Schmal und gut gewachsen, mit einer stolzen, aufrechten Haltung, «von bräunlicher Couleur», die rasierten Köpfe mit federgeschmückten Stirnbändern umwunden, mit Ringen in den Ohren, Ringen um die Arme und Schmuckketten um den Hals, mit hirschledernem Lendenschurz, Köchern mit Pfeilen und Bogen auf dem Rücken und langen, verzierten Tabakspfeifen aus Holz in den Händen. Es waren
Lenni Lenape
.
    Das schwedische Unternehmen in der Neuen Welt baute auf die Zusammenarbeit mit den Menschen, die bereits dort lebten. Die schwedische Gruppe war ganz einfach zu schwach, als dass sie wagen konnte, sich anders zu verhalten. Von ihnen wollte sie durch Tausch die Lebensmittel erwerben, die für die Versorgung der Kolonie vonnöten waren, und die begehrten Pelze, die die Kompanie in Europa auf den Markt zu bringen hoffte. Die beiden Schiffe waren auch mit Waren beladen, die in Holland eigens für diesen Tauschhandel eingekauft worden waren: Äxte, Messer, Pfeifen, Spiegel und Textilien. Fünf örtliche Häuptlinge wurden deshalb zu einem Treffen an Bord der
Calmare Nyckel
eingeladen, und von diesen kaufte man ein Stück Land, das auf den Namen
Nova Suecia
, Neuschweden getauft wurde. Auf einer Landzunge im Fluss begann man sogleich, eine sternförmige Schanze zu errichten, die von palisadengekrönten Erdwällen umgeben war. Einige der zwölf Kanonen der
Calmare Nyckel
wurden auf dem Wall aufgestellt, und im Innern der Festung wurden zwei Blockhäuser errichtet, ein Lagerhaus für die Handelswaren und ein Giebelhaus mit Schießscharten in den Wänden. Die Festung wurde Fort Christina, nach der Königin, genannt.
    Die Lenni Lenape erwiesen sich glücklicherweise als ein freundlich gesinnter Stamm, sie waren freigiebig, von schneller Auffassungsgabe, fleißig und treu in ihrer Freundschaft. Sie wohnten in kleinen Dörfern, die von Äckern umgeben in den Wäldern lagen. Die Schweden entdeckten, dass die Indianer leider arm waren und sie von diesen deshalb nicht viel mehr erwarten konnten als Mais. Doch mit ihnen war auch nicht zu spaßen, denn diese «beherzten, heroischen, armstarken» Menschen zögerten nicht, zu Gewalt zu greifen, wenn sie sich gekränkt oder bedroht sahen, und sie huldigten dem Prinzip, dass ein Auge mit einem Auge, ein Leben mit einem Leben zu vergelten sei.
    Die Holländer in Neuniederlande, ein gutes Stück weiter nördlich an der Küste, entdeckten nach einiger Zeit die Schweden, die sich heimlich niedergelassen hatten, und protestierten lauthals. Minuit, der Anführer der schwedischen Expedition, wies die wütenden Einwände ab: Sie seien schwedische Untertanen, die nur der Königin Christina Gehorsam schuldeten, und sie hätten das gleiche Recht, sich hier niederzulassen, wie die Holländer. Anschließend, nachdem er eine Karte der Kolonie gezeichnet hatte, ging er mit den Seeleuten im Juni 1638 wieder an Bord und segelte nach Süden, in die Karibik, wo er spurlos in einem Sturm verschwand. Die
Calmare Nyckel
bekam ein paar Sturmschäden ab, konnte sich aber mit einer Ladung Tabak nach Göteborg zurückschleppen. Die
Fågel Grip
kreuzte eine Zeitlang im Karibischen Meer, um zu sehen, ob nicht vielleicht ein Schiff der spanischen Silberflotte aufzubringen war, kehrte jedoch um Neujahr nach Neuschweden zurück, wo man Felle an Bord nahm und

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