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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Hälfte der 24 000 Reichstaler zu bezahlen, die für die erste Reise veranschlagt wurden, während einige prominente Schweden, mit dem Kanzler Axel Oxenstierna an der Spitze, den Rest aufzubringen versprachen.
    Zwei Schiffe, die
Calmare Nyckel
und die
Fågel Grip
, wurden unter strengster Geheimhaltung ausgerüstet, denn man wollte vermeiden, dass die holländische westindische Kompanie die Möglichkeit bekäme, dem Unternehmen Hindernisse in den Weg zu legen. Diese Vorsichtsmaßnahmen waren keineswegs übertrieben. Im Ausland traten die holländischen Kompanien mit der Selbstherrlichkeit unabhängiger Staaten auf; sie begannen nach eigenem Gutdünken Kriege, schlossen Frieden und gingen Allianzen ein. Und als der apokalyptische Rush auf die Reichtümer der Neuen Welt einsetzte, war der Unterschied zwischen harter Handelskonkurrenz und offenem Krieg rein akademisch. Besonders die Neuankömmlinge in diesem Wettlauf, Engländer, Holländer und Franzosen, griffen gewohnheitsmäßig zur Seeräuberei in großem Stil, um das, was sie als ihre Interessen ansahen, zu behaupten.
    Ungefähr die Hälfte der Seeleute und Soldaten auf den beiden Schiffen waren Schweden, der Rest Holländer. Auch der Hauptteil der Schiffsoffiziere kam aus den Niederlanden, und der Oberbefehl über die Expedition wurde in die Hände eines der holländischen Initiatoren der Kompanie, Peter Minuit, gelegt. Dieser war für die Aufgabe gut geeignet. Sieben Jahre war er Generaldirektor der Kolonie Neuniederlande an der amerikanischen Ostküste gewesen: 1624 hatte er die Insel Manathan von den Ureinwohnern für ein wenig Tuch, ein paar Glasperlen, eine Flasche Branntwein und einige andere Kleinigkeiten im Gesamtwert von rund 90 Reichstalern gekauft. Auf der Insel – die wir heute als Manhattan kennen – wurde Neu Amsterdam angelegt. Minuit war auch an der Gründung der Kolonie Swanendael auf der Westseite des Delawareflusses beteiligt gewesen, doch die kleine Schar von Holländern, die sich dort niedergelassen hatte, war von «Wilden» erschlagen worden.
    Die
Calmare Nyckel
und die
Fågel Grip
überquerten im Spätwinter 1638 den Atlantik und erreichten Mitte März die große Bucht des Delaware an der nordamerikanischen Ostküste. Nachdem sie an einer Stelle, die sie Paradiesspitze nannten, an Land gegangen waren – um dort die Frischwasservorräte aufzufüllen und sich vom langen Aufenthalt auf See zu erholen –, segelten sie weiter, den breiten Delawarefluss hinauf bis zu einem Nebenfluss auf dem linken Ufer mit Namen Minquas Kill. Nachdem man diesem einige Kilometer flussaufwärts gefolgt war, ging man vor Anker.
    Die Männer in den Booten konnten über ein endloses Urwaldgebiet blicken, flach und fruchtbar, mit vielen wilden Obstbäumen, Maulbeeren, Pflaumen, Äpfeln, Kriechen, Kirschen und wildem Wein, wo breitschultrige Eichen verschiedener Sorten zwischen umgestürzten Bäumen, vermoderten Stämmen und kniehohem Gras in die Höhe schossen. Das Klima war mild und feucht, die Luft süß duftend, warm und von Mücken erfüllt. Ohne Zweifel schauten sie mit einem gewissen Schaudern in dieses üppige Frühlingsgrün, denn was konnte sich darin nicht alles verbergen?
    Die Erlebnisberichte aus der Neuen Welt erreichten Europa oft in stark verfälschter und verdrehter Form. Amerika wurde «entdeckt», aber in ebenso hohem Maße auch «erfunden». So sollte es in der amerikanischen Fauna zahlreiche sonderbare und gefährliche Tiere geben. Ein Schwede, der einige Jahre nach der ersten Expedition das Gebiet am Delaware besuchte, berichtete, dass es dort neben Elchen, Bibern, Ottern, Hasen und anderem Bekannten auch Drachen sowie «eine Art große, gefährliche und häßliche Schlangen» gebe, die mit ihrem Schwanz schepperten, «wie Kinderrasseln es tun», und die «eines Menschen Glieder abbeißen [können], als wären sie mit der Axt abgeschlagen». Aber sicher gab es auch viel Verlockendes. Man sagte, dass der Kontinent unendliche Reichtümer berge. Dass diese wirklich existierten, bezeugte die spanische Flotte, die jedes Jahr Amerika verließ, schwer beladen mit Silber aus der riesigen, menschenverschlingenden Grube in Potosí – wo im Schnitt 40 Ureinwohner pro Tag ihr Leben ließen – oder aus einem der Tausende von kleinen Schächten, die über Neuspanien oder das Vizekönigreich Peru verstreut lagen. Und wer hatte nicht von El Dorado gehört, dem verborgenen Reich, von dem es hieß, dass es reicher an Gold und leichter zu plündern sei als die

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