Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
verschwanden oder wechselten den Besitzer, denn die großen kolonialen Siegermächte des 16 . Jahrhunderts, Spanien und Portugal, waren einem ständig steigenden Druck seitens der neuen, hungrigen Konkurrenten Holland, England und Frankreich ausgesetzt.
All dies kann möglicherweise den Eindruck erwecken, dass die Europäer gerade im Begriff standen, sich die ganze Welt zu unterwerfen. Nichts könnte irriger sein. Noch fanden die Arme des Polypen nur schlechten Halt. Abgesehen von den spanischen Königreichen in der Neuen Welt und der gründlich zerstückelten Karibik waren nur wenige dieser europäischen Besitzungen Eroberungen in des Wortes eigentlicher Bedeutung. Viele waren nicht einmal Kolonien, sondern sind als Handelsstationen, kleine Stützpunkte oder Landeplätze mit dem Rücken zum Meer zu betrachten, in denen eine Handvoll Europäer in einer Ansammlung kleiner Häuser oder eingeschlossen in einem palisadenbewehrten Fort lebten, das in einer in den Wald geschlagenen Lichtung lag; ein Jahr am Ort, aber im nächsten Jahr vielleicht schon von arglistigen Konkurrenten, bösartigen Epidemien oder nachlassenden Konjunkturen ausgelöscht oder vielleicht von der ursprünglichen Bevölkerung, die ihrer selbstherrlichen Gäste überdrüssig geworden war, vertrieben. Rückschläge und lokale Katastrophen waren eher die Regel als die Ausnahme. An manchen Orten, besonders in Asien, doch auch in Afrika, trafen die Seefahrer Zivilisationen an, die ihnen einen so entschiedenen Widerstand entgegensetzen konnten, dass territoriale Eroberungen mehr oder weniger unmöglich waren, sodass ihnen nichts anderes übrigblieb, als vor den lokalen Machthabern den Hut zu ziehen und liebedienerisch ihre Zeit abzuwarten. (Doch die Europäer hatten einen großen Vorteil bei der Begegnung mit diesen landgebundenen Kulturen, nämlich ihre hervorragenden Schiffe, die es ihnen ermöglichten, immer wieder zu kommen und es aufs Neue zu versuchen, die leicht zu manövrieren waren, gegen den Wind segeln konnten und schwer bewaffnet waren mit Kanonen von großer Reichweite, und mit diesen Schiffen herrschten sie in souveräner Majestät über die Weltmeere.) An anderen Orten mussten die an Land Gegangenen einen ungleichen Kampf mit anscheinend endlosen Weiten und einer sich entziehenden Bevölkerung von Jägern und Sammlern ausstehen, die zu arm war, um ausgebeutet, und zu flüchtig, um unterjocht zu werden. Obwohl man aus dieser Zeit eine Karte des Erdballs zeichnen könnte, die mit der heutigen weitgehend übereinstimmt, ist es wichtig, sich bewusstzumachen, dass die Weltkarte des 17 . Jahrhunderts zahlreiche Konturen und korrekt gezeichnete Küstenlinien enthielt, dass aber unermessliche Gebiete im Inneren der Kontinente immer noch vollständig unbekannt waren; ein überwältigender Teil der Erde war noch
terra incognita.
Und an den meisten Stellen standen die Europäer wie festgenagelt auf diesen schmalen Streifen bekannten Bodens, wo Land und Meer sich begegnen, kleine Kommazeichen auf riesigen weißen Blättern.
In ebendiesem Jahr 1638 , in dem Erik in Hamburg ankam, tat auch Schweden den Sprung über den Ozean und wurde eine Kolonialmacht.
Schweden übrigens: Die ganze Zeit über standen Holländer hinter den Kulissen, die den schwedischen Akteuren kleine, aufmunternde Schubse verabreichten und ihnen zuweilen ihre Repliken zuflüsterten. Die Herrschenden in Schweden waren neugierig auf diesen neuen Typ von Unternehmen, von dem sie sich wachsenden Handel und dadurch vermehrte Einkünfte für die ständig in Geldnot befindliche Krone erhofften. Außerdem war es natürlich wertvoll, ganz eigene Verbindungen zur Neuen Welt zu haben. Rein wirtschaftlich stand Schweden im großen Schatten Amsterdams und der Niederlande, und so, wie die Holländer einen bedeutenden Teil des Ostseehandels beherrschten, kontrollierten sie auch einen großen Teil des Stroms von exotischen Waren in die schwedischen Häfen. Einzelne holländische Kaufleute, die in Streit geraten waren oder sich in der harten Konkurrenz zwischen all den muskulösen
vóórcompagnieén
ein wenig eingeklemmt fühlten, hielten es für eine gute Idee, sich unter die breiten Fittiche der schwedischen Krone zu begeben. Im Jahre 1636 wurde eine schwedisch-holländische Kompanie gegründet, die in Nordamerika Kolonien anlegen und Handel treiben sollte, in dem Teil der Neuen Welt, mit dem die holländischen Interessenten ihre meisten Erfahrungen gemacht hatten. Die Holländer versprachen, die
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