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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Läuten bedeutete, und konnten nicht selten Details bestimmen, etwa ob ein bestimmtes Metall Bass, Tenor oder Alt war.
    Aber gerade die lauten und aufdringlichen Rufe der Straßenhändler hatten eine besondere Bedeutung für die Neuankömmlinge in Hamburg. So schrieb der schwedische Theologiestudent Andreas Bolinus aus Växjö, als er einige Jahre nach Erik die Stadt besuchte: «Hier in der Stadt sind die Leute zwar bescheiden und dienstwillig, aber alles läuft aufs Geld hinaus.» Die alte Hansestadt war eine der wenigen Städte, die trotz des Krieges und der Rezession gut von ihrem Handel und der Seefahrt lebte, und sie war neben dem mächtigen Amsterdam eins von Europas größten Finanz-und Wirtschaftszentren. Hamburg lag zu beiden Seiten der Elbemündung. Der Fluss war weniger von Zollstationen zerstückelt als die Oder und nicht so blockiert von kriegerischen Verwicklungen wie der Rhein. Außerdem lag die freie Stadt in einer der wenigen Ecken Deutschlands, die nur wenig oder nichts vom Marschtritt der Armeen gehört hatten, weshalb sie sich, vom Krieg unberührt, praktisch eines fortdauernden Wohlstands, einer wachsenden Bevölkerung und eines zunehmenden Handels erfreuen konnte. Ihre Handelsflotte war seit dem Beginn des Jahrhunderts ununterbrochen gewachsen und nun auf dem besten Weg, sich zu verdoppeln, und die Schiffswerften und die Zuckerraffinerien florierten. Zu den Spezialitäten der Stadt wurden Metallprodukte, Schiffbaumaterial, Leinen und Getreide gezählt. Die örtliche Kolonie sephardischer Juden tat viel für das kommerzielle Leben der Stadt, doch am wichtigsten waren die Scharen zugezogener Holländer, die Hamburg mit ihrem Können und ihrem Kapital bereicherten. Hamburg profitierte in hohem Maße von der Nähe der explosiv expandierenden Wirtschaft in den Niederlanden und war gewissermaßen deren verlängerter Arm (dies in mehr als einer Hinsicht: Unter anderem waren mehrere holländische Maler in Hamburg ansässig, und die Stadt wurde denn auch als der östliche Außenposten der holländischen Kunst betrachtet). Die Stadt war eine Art Brücke zwischen der Wirtschaft Südeuropas und der um die Ostsee. Auch Hamburg und seine herrschende Schicht selbstbewusster und konservativer Patrizier profitierten von dem Elend anderer und dabei auch von dem, das die Niederlande traf. Nachdem Magdeburg von Tillys rasender Soldateska zerstört worden war, wichen Handel und Händler auf Hamburg aus. Und jedes Mal wenn die Niederlande in den Krieg verwickelt wurden, konnten die günstig gelegenen und strikt neutralen Handelshäuser in Hamburg ihre Marktanteile auf Kosten der Holländer vergrößern. Des einen Not ist des anderen Brot.
    Auch zu Schweden bestanden starke Bande, nicht zuletzt, was den Handel mit schwedischem Eisen und Kupfer betraf, der zu einem bedeutenden Teil über Hamburg lief. Die Stadt war protestantisch, und viele ihrer Einwohner waren eindeutig schwedenfreundlich. (Noch lange nach dem Krieg sollen Porträts von Gustav Adolf hier und da an den Häusern zu sehen gewesen sein.) Hamburg war auch ein wichtiger Knotenpunkt im europäischen Post-und Nachrichtennetz. Seit 1620 existierte eine Verbindung für Briefe und andere Sendungen zwischen Stockholm und Hamburg, und für Schweden war die Stadt in vielfacher Hinsicht das große Tor für Informationen vom Kontinent. Jetzt, während des Krieges, war es der finanzielle Apparat der Stadt, ihre Börse und zwei Banken,
Girobank
und
Hamburger Wechselbank
(die beide 1619 gegründet worden waren und zu den ersten in Europa gehörten), der für die schwedische Krone von größter Bedeutung war. Ein großer Teil der für die Finanzierung der schwedischen Armeen benötigten Gelder wurde in Hamburg als Kredit unter der persönlichen Bürgschaft der lokalen schwedischen Agenten aufgenommen. So hatte beispielsweise Eriks Gastgeber Abraham Paulsen der schwedischen Krone 6523 Mark und 8 Schilling vorgeschossen, als Kredit an den schwedischen Residenten in der Stadt, Johan Adler Salvius – einen nichtadligen Karrieristen aus Strängnäs, der, durch eine kluge Heirat mit einer 30 Jahre älteren Goldschmiedswitwe reich geworden, dank seiner großen Fähigkeiten in Diplomatie, Administration und Intrigen eine immer bedeutendere Rolle in den außenpolitischen Angelegenheiten der schwedischen Krone spielen konnte. Wie wichtig Hamburg für die Regierenden in Schweden war, geht daraus hervor, dass Adler Salvius zu einem späteren Zeitpunkt darauf drängte, dass die

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