Verwüstung
nicht mehr so zerbrechlich wie frisch geblasenes Glas. Er konnte jetzt wieder hören – das Heulen des Windes und wie der Regen mit einer bösartigen Freude gegen das Gebäude peitschte – und auch wieder normal atmen. Aufrecht stehen. Die Arme ausstrecken. Dillard war nicht mehr hinter ihm. Obwohl das Lagerhaus nicht viel größer als der Keller war, erschien es ihm größer, weil es keine Nischen, Ecken, Treppen und düstere Stellen gab. Die Decke war höher.
Das Gebäude war fensterlos, aus Betonblöcken, mit Zementboden. Kein Wassereinbruch. Die vordere Tür war aus schwerem Metall. Es gab unten eine Katzentür, die allerdings verriegelt war. Eine Harley und ein Boot standen an der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Rechts befanden sich eine Werkbank, ein normal großer Kühlschrank, ein Waschbecken. Der Kühlschrank war an einen großen Gastank angeschlossen, woraus Sheppard schloss, dass es in diesem Gebäude keinen Strom gab. Schade. Er hätte zu gern seinen Computer eingeschaltet und Emisons Dokumente durchgelesen.
Er öffnete seinen Rucksack, reichte Goot das Funkgerät, zog dann den Erste-Hilfe-Koffer und eine große elektrische Leuchte hervor. Goot, der neben Sheppard kniete, nickte in Dillards Richtung. »Was willst du mit ihm machen?«
Dillard stand an dem Waschbecken und ließ Wasser über den Schnitt in seiner Hand laufen. »Im Augenblick gar nichts. Er kann nirgendwo hingehen. Halten wir uns einfach von ihm fern. Er weiß, was auf dem Spiel steht. Außerdem habe ich in dem Rohr das Küchenmesser verloren.«
»Wir brauchen keine Waffe, um ihn zu überwältigen. Wir sind zu zweit. Wenn er Ärger mach, kleben wir ihn einfach wieder zusammen.« Er tippte auf das Funkgerät und stellte es ab. »Jetzt müssen wir erst mal mehr über diesen Sturm erfahren. Vielleicht können wir hier auch ein Handynetz kriegen. Wenn der Akku noch genug Saft hat.«
Sheppard nahm die Leuchte, den Erste-Hilfe-Koffer, und erhob sich. Bildete er sich das ein, oder waren Wind und Regen jetzt tatsächlich weniger dramatisch?
»Brauchst du Hilfe mit Doug?«, fragte Goot und drehte bereits am Funkgerät herum.
»Nein. Danke übrigens.«
»Wofür?«
»Dass du mich aus dem Rohr geholt hast.«
Liberty trottete auf Sheppard zu und rieb sich an seinem Bein. Goot zeigte mit dem Finger auf sie. »Bedank dich bei ihr, dass sie uns aus dieser Todesfalle geholt hat. Genau genommen …« Er wühlte in seinem Rucksack, zog eine Dose Thunfisch heraus, öffnete sie und stellte sie auf den Boden. Liberty stürzte sich darauf, aber sie bekam Gesellschaft – eine größere Katze, die genauso aussah wie sie, bloß hingen ihre Brustwarzen herunter, schwer von Milch. Die Mama.
»Sieht so aus, als hätten Mira und du zwei neue Katzen.«
Toll. Sie konnten ihr eigenes Tierheim aufmachen.
Sheppard ging hinüber zu Emison. Der schien zu schlafen, aber sein Atem ging stockend. Seine Haut war kalt und klamm, nicht warm und trocken. Veränderungen, aber was hatten sie zu bedeuten? Sheppard riss das Klebeband von den Seiten des Schlafsacks, öffnete den Reißverschluss, faltete den Stoff nach unten. Emisons T-Shirt war klatschnass, der Verband um seine Wunde war blutdurchtränkt, frisches Blut sickerte aus den Wundrändern.
Scheiße, Scheiße. Er hatte keinen neuen Verband, keine Latex-Handschuhe, keine sauberen Klamotten oder Tücher. Wenn er die Wunde freilegte, um Betadine darüberzuspritzen, musste er den blutigen Verband wieder anlegen. War jetzt die Zeit gekommen, ihm noch mehr Augmentin zu geben? Wasser, dachte er. Vielleicht brauchte Emison einfach nur etwas zu trinken.
In diesem Moment keuchte Emison, stützte sich hoch auf die Ellbogen, die Hände, seine Augen dunkel wie Walnüsse und groß wie Untertassen. »Dad«, flüsterte er und sackte zurück auf seinen Schlafsack. Sein Körper zuckte, dann lag er still.
Besorgt rutschte Sheppard zum anderen Ende des Schlafsacks und leuchtete mit der Taschenlampe in Emisons Gesicht. Die Augen starrten leer an die Decke. Er legte die Finger an Emisons Hals, suchte nach einem Puls.
Nichts. Gar nichts. Null. Erledigt.
»Tu mir das nicht an, Doug«, murmelte er, beugte schnell Emisons Kopf nach hinten in den Nacken und hob sein Kinn an. Die Atmung setzte aber nicht ein. Mit der Hand, die auf Emisons Stirn lag und die seinen Kopf zurückhielt, hielt Sheppard ihm die Nasenlöcher zu, dann holte er tief Luft und blies seine eigene Ausatemluft Emison über den fingerbreit geöffneten Mund ein. Er
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