Verwüstung
dem Sturm hält.« Er berichtete Goot von Nadine, die sich in denselben kubanischen Kreisen bewegt hatte wie er. »Sie ist zu Hause, aber wir wissen nicht, ob sie reisefähig ist.«
»Meine Abuelita hat gestern Abend die Knochen nach Danielle befragt. Sie sagt, wir bekommen Wind und Regen, werden aber nicht direkt getroffen.«
»Hoffen wir, dass sie recht hat.« Sheppard reichte Goot die Fotos. »Die habe ich unter der Matratze gefunden.«
Goot betrachtete sie, Sheppard hielt die Taschenlampe für ihn. »Wir suchen also nach Billy?«
»Der einen Hummer fährt. Ja. Vielleicht. Komm, gehen wir Emison suchen.«
Der Sheriff befand sich auf der anderen Seite der kaputten Mauer. Er marschierte im Schutt auf und ab, das Handy ans Ohr gedrückt. Er sah aus, als würde er gleich einen Herzanfall kriegen. Er war ein klein gewachsener Mann von vielleicht fünfzig Jahren, sein Bauch wurde langsam fett, sein Haaransatz wich zurück, das verbliebene Haar war grau geworden. Ein typischer Südstaaten-Spezi von der guten alten Schule. Sheppard und er waren selten einer Meinung über die oft unscharfe Grenze zwischen regionalen und bundesstaatlichen Ermittlungen, doch mit den Jahren hatten sie gelernt, dass sie beide von einer Zusammenarbeit profitierten. Trotzdem trauten weder Sheppard noch Goot dem Mann letztendlich.
»Shep, John, wo wart ihr beide?«
Sein Südstaaten-Akzent ging Sheppard auf die Nerven. Wie immer. »Im Zellenblock.«
»Kommt«, sagte Emison barsch und deutete mit dem Daumen in Richtung Küche. »Wir haben die Überwachungsaufnahmen auf einem Laptop. Mira ist nicht mitgekommen, oder, Shep?«
»Warum sollte sie? Weißt du, wie spät es ist?«
Emison schaute auf die Uhr. »Oh. Ja. Also. Ich bin wohl einfach davon ausgegangen, sie käme. Wir könnten alle Hinweise gebrauchen.«
Klar. Umsonst. Alle wollten gern umsonst die Zukunft wissen, dachte Sheppard, selbst die Idioten, die sich als Skeptiker aufführten. Emison hatte in der Vergangenheit von Miras Informationen profitiert, hielt sich aber trotzdem an die offizielle Version: Hellseherei? Gibt’s nicht. Das war die Sache mit den Skeptikern. Wenn sie Hilfe brauchten, waren sie keine Skeptiker mehr.
»Du hast nicht um ihre Hilfe gebeten, Doug.«
Emison fuhr herum, seine Wangen waren leuchtend rot, und die Augen quollen hervor, als hätte man ihn in den Bauch geboxt.
»Ein Irrer donnert hier mit einem Panzerwagen rein, befreit zwei Insassen, tötet ein paar meiner Leute, jagt den Hummer auf der Vine in die Luft, das Feuer springt über auf Bäume, Gärten, zwei Häuser … Du kannst darauf wetten, dass ich Hilfe brauche.« Er öffnete die Küchentür mit einem kräftigen Tritt, marschierte hinein und ging direkt zu dem Laptop, der eingeschaltet auf dem Tisch stand. Er drückte auf eine Taste. »Hier ist das, was wir haben.«
Sheppard und Goot schauten sich mehrere Minuten Videoaufzeichnungen an. Der Hummer war beeindruckend. Allen Ernstes ausgestattet mit Metallplatten, die die Heck- und Seitenfenster komplett sowie bis auf einen schmalen Schlitz auch die Windschutzscheibe bedeckten. Selbst die Reifen waren teilweise mit Metallplatten geschützt. Aber es gab kein einziges Bild des Fahrers. Die einzige Aufnahme der beiden Gefängnisinsassinnen stammte aus dem Zellenblock, direkt nachdem der Hummer durch die Wand gerumst war. Doch aufgrund des Staubs in der Luft waren die Bilder nicht deutlich.
Als das Video zu Ende war, löste Emison einen Memorystick von seinem Gürtel und schob ihn in den USB -Anschluss des Laptops. Der Stick – die neuste Entwicklung digitaler Speichermedien – war etwa so groß wie ein Männerdaumen und konnte alles speichern, was sich auf einem Computer befand. Die Kapazität reichte von vierundsechzig Megabyte bis hoch zu einem Gigabyte. Sheppard hätte Emison nie für einen Technikfreak gehalten und fand es faszinierend, dass der Sheriff überhaupt wusste, was Speichersticks waren, ganz zu schweigen davon, dass er einen besaß. Und warum sicherte er die Videoaufnahme?
»Was ist mit dem Memorystick, Doug?«, fragte Sheppard.
»Mein Junge hat mir den besorgt.« Er schaute peinlich berührt. »Wenn ich sauer auf Windows XP war, weil ich versuchte, meine Daten auf CD zu sichern, hat mein Sohn immer gelacht. Den hat er mir jetzt zum Geburtstag geschenkt. Cool, oder?«
Cool. Ja. Cool. Abgefahren. Krass. Emison benutzt keine Worte wie cool. »Okay, hier sind die Fotos«, sagte Emison und zeigte Bilder von zwei Frauen – die Blonde
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