Verwüstung
Leo«, sagte Sheppard. »Wir sind zwei, du bist einer. Leg dich nicht mit uns an, und du kommst hier lebend raus. Jeder tut seinen Teil. Pack jetzt die dreckigen Laken und Handtücher in eine Mülltüte und stopf sie unter die Küchenspüle.«
Dillard sagte nichts. Er ging in die Schlafecke, und Sheppard und Goot blieben nebeneinander stehen, um zu flüstern. »Wir sollten in Schichten schlafen, vielleicht jeweils eine Stunde«, sagte Goot. »Du hast genäht, also nehme ich die erste Wache.«
»Bist du sicher?«
»Ja, ich muss sowieso dringender mein Auge kühlen, als ich schlafen muss.«
»Weck mich in einer Stunde.«
»Ich habe keine Uhr.«
Sheppard auch nicht. Er hatte sie abgenommen, als Mira und er schwimmen gegangen waren und nicht wieder angelegt. »Weck mich, wenn du müde wirst.«
»Was soll ich tun, wenn es Emison schlechter geht?«, fragte Goot.
»Weck mich.«
Sheppard trat an die Spüle, um sich noch einmal zu waschen. Er stand derart neben sich, dass er nicht merkte, dass Dillard mit den Mülltüten näher gekommen war, bis der sagte: »Kannst du mal zur Seite gehen?«
Sheppard richtete sich auf, Wasser tropfte von seinem Gesicht, er trat zur Seite. Dillard stopfte zwei Tüten unter die Spüle. »Nur dass du es weißt, Sheppard, wenn das alles vorbei ist, feuere ich euch.«
»Hey, Goot«, rief Sheppard. »Leo hat gerade versprochen, uns zu feuern, wenn wir draußen sind.«
Goot lachte. »Du könntest ihn einfach festhalten, und ich breche ihm den Hals, wer würde es merken?«
»Klingt wie eine gute Idee.«
Dillard trat einen Schritt zurück und schaute von Goot zu Sheppard, er wurde immer blasser. »Ihr beiden Arschlöcher bleibt weg von mir«, sagte er heiser, die Hände zuckten durch die Luft, zu Fäusten geballt. »Bleibt bloß weg.«
»Nachdem ich ihm den Hals gebrochen habe, könnte ich ihn mit einem Küchenmesser skalpieren«, fuhr Goot fuhr. »Ich hab mal im Fernsehen gesehen, wie die Cheyenne das früher gemacht haben. Oder waren es die Sioux?«
Dillard wurde plötzlich klar, was sie taten, und er stieß ein abgehacktes, nervöses Lachen aus. Er ließ die Arme sinken. »Ja, sehr lustig. Nachdem ihr beiden Komiker euch nun amüsiert …«
Sein Satz brach ab, als ein Küchenmesser plötzlich nur wenige Zentimeter von ihm entfernt in die Wand knallte. »Das ist das einzige scharfe Messer in der Küche, Leo. Und ich hab das Scheißding.« Goot riss das Messer aus der Wand, bevor Dillard sich rührte oder auch nur ein Wort sagte.
»Das … das war versuchte Körperverletzung«, stotterte Dillard.
»Was war was?«, fragte Sheppard unschuldig.
»Wer hat versucht, wen zu verletzen, Leo?«, fragte Goot. »Ich hab nichts gesehen. Du, Shep?«
»Nein.«
Als Dillard wieder sprach, zitterte seine Stimme vor Zorn. »Damit kommt ihr nicht durch.«
»Ach ja?«, Sheppard lachte, ein scharfer, hässlicher Klang. »Dann beschwer dich doch bei der Christenpartei, Leo. Du und die anderen Neokonservativen können ja dafür kämpfen, dass die Zehn Gebote in den Gerichtssälen Alabamas aufgehängt werden, oder ihr könnt gegen schwule Ehen klagen oder in den Nahen Osten gehen und Terroristen jagen.«
Eine Ader pulsierte an Dillards Schläfe. Adern und Sehnen an seinem Hals standen hervor. »Du bist eine Schande für das FBI«, fluchte er. »Du hast es nicht verdient, die Dienststelle in Tango zu leiten, und ohne Baker Jernan wärst du noch immer ein Mordermittler in Broward County. Und wenn wir noch weiter zurückgehen, Sheppard, zurück zu Andrew, erinnerst du dich an Andrew? Dein posttraumatisches Stresssyndrom von damals ist immer noch voll da.«
»Ja, ja«, murmelte Sheppard. »Leg dich hin, Leo. Wir schlafen in Stundenschichten, und Goot hat die erste Wache.«
Mit diesen Worten wandte er Dillard den Rücken zu, schlurfte quer durchs Zimmer und ließ sich auf einen Schlafsack fallen. Das Letzte, was er hörte, war das ferne Heulen des Windes.
14
Mitten im Streit ihrer Mutter mit Nana Nadine eilte Annie in die Garage, um das Sperrholz zu holen, aber auch, um ihre Ruhe zu haben. Jetzt, wo sie dort war, klangen der Wind und Regen rau, unmittelbar, beängstigend. Aber solange sie Strom hatten, solange das Licht brannte und sie sich auf ihr Ziel konzentrieren konnte, Sperrholz zu holen, war alles in Ordnung.
Licht war gut, Dunkelheit war schlecht. Dunkelheit war der Grund, aus dem sie ein Nachtlicht in ihrem Schlafzimmer brauchte und Musik zum Einschlafen, freundliche Stimmen oder Liedtexte,
Weitere Kostenlose Bücher