verwundet (German Edition)
fünften Stock angekommen, richtete er sich nach den Hinweisschildern. Er landete vor einer doppelten Flügeltür. Es gab keine Klinke, nur einen dicken, runden Knauf. Auf dem rechten Türflügel befand sich ein großes Hinweisschild.
Geschlossene Abteilung der Psychiatrie.
Besucher bitte klingeln .
Uff, das ist ja wie ein Gefängnis hier, dachte er. Vielleicht sollte ich erst einmal einen Kaffee zur Stärkung trinken. Er hatte beim Betreten der Klinik ein Hinweisschild gelesen, auf dem Cafeteria gestanden hatte. Er machte kehrt. In der Cafeteria bestellte er sich Kaffee, griff sich die Zeitung und vertiefte sich darin. Bald stellte er jedoch fest, dass er sich auf die Tagesmeldungen nicht konzentrieren konnte und legte die Zeitung beiseite. Als er seine Umgebung näher betrachtete, fiel ihm am Nebentisch eine Frau auf. Donnerwetter, toller Typ, schoss es ihm durch den Kopf. Ihr kurzes, dichtes schwarzes Haar war schon von einigen silbrigen Strähnen durchzogen, obwohl ihr Gesicht noch recht jung wirkte. Sie mochte Anfang vierzig sein. Die Ohren waren frei geschnitten, was ihre hohen Wangenknochen betonte. Ihr Kinn war recht energisch und ließ auf einen durchsetzungsstarken Willen schließen. Sehr apart, dachte er, und ließ den Blick tiefer schweifen. Unter ihrer weißen Bluse zeichneten sich deutliche Formen ab. Sie hatte die Beine übereinander geschlagen, ihre Haltung wirkte entspannt und selbstsicher. Plötzlich sah sie ihn an. Ihr Blick war sehr wach und durchdringend. Er lächelte, doch sie wurde von der Bedienung abgelenkt, die an ihren Tisch getreten war. Als sie die Bestellung aufgegeben hatte, sah sie sich im Raum um. Leider schien sie auf jemanden zu warten, denn sie sah auf die Uhr. Dabei fiel ihm auf, dass sie keinen Ring trug. Die Serviererin brachte ihr einen Kaffee, und sie bedankte sich. Als sie trank, begegneten sich ihre Augen über den Rand der Tasse hinweg. Harald fluchte innerlich, denn die Kellnerin tauchte plötzlich vor ihm auf, um zu fragen, ob er noch etwas wünsche. Er schüttelte ungeduldig den Kopf und sie verschwand.
Die Schöne vom Nebentisch sah ihn nicht mehr an, sondern holte aus ihrer Handtasche ein Büchlein und vertiefte sich darin. Es war ihm nicht gelungen, den genauen Titel zu entziffern, aber er hatte den Namen George Grosz lesen können. Aha, kunstinteressiert, dachte er. Vielleicht ein Anknüpfungspunkt. Er wollte sich gerade erheben, als eine etwas fade Blondine an ihren Tisch trat. „Hallo Angelika.“
„Hallo Katja.“
„Tut mir leid, dass ich dich warten ließ. Außerdem habe ich auch schlechte Nachrichten, ich muss unsere Verabredung verschieben. Überstunden!“ Sie seufzte und ließ sich auf einen Stuhl plumpsen. „Es ist wirklich wie verhext. Ich glaube, das ist das dritte Mal, dass unsere Verabredung platzt. Falscher Beruf, würde ich sagen.“ Angelikas Stimme hatte ein dunkles Timbre. „Schade! Da kann man nichts machen.“
„Manchmal verfluche ich meinen Beruf. Glaub mir, ich würde jetzt lieber mit dir essen gehen, als noch Laborproben zu analysieren. Aber bei uns fehlen drei Leute. Auf meinem Überstundenzettel ist bald kein Platz mehr. Und sag mir mal, wann ich die überhaupt abbummeln soll. Fred ist schon ziemlich sauer.“
„Nun, als er mit dir zusammen gezogen ist, wusste er, welchen Beruf du hast.“
„Ja, nur würde ich auch gerne mal wieder mehr Privatleben haben.“
„Kann ich verstehen Katja. Wann kommen Annika und Anna wieder?“
„Annika ist ja gerade erst in den Mutterschaftsurlaub gegangen, und Anna ist noch zwei Wochen krank geschrieben. Bis dahin wird es wohl mit unserem Essen nichts werden.“
Die Bedienung kam und fragte Katja nach ihrem Bestellwunsch. Diese schüttelte den Kopf. Harald winkte der Serviererin und zeigte auf seine leere Kaffeetasse. Sie verstand.
„Jetzt mach nicht so ein Gesicht Katja. Wir schaffen es schon noch, uns zu treffen.“
Katja erhob sich. „Was wirst du jetzt machen?“
„Ich werde mit mir selbst essen gehen.“ Angelika lächelte. „Da befinde ich mich doch in akzeptabler Gesellschaft.“
Katja lachte. „Ja, ein würdiger Ersatz für mich. Na gut, dann geh ich mal wieder zu meinen Laborproben. Machs gut.“ Sie winkte noch einmal und verschwand. Als die Bedienung Harald den Kaffee serviert hatte, dachte er jetzt oder nie . Er nahm sich die Tasse und setzte sich an Angelikas Tisch. „Entschuldigen Sie, Angelika. Aber vielleicht haben Sie ja Lust, mit mir essen zu gehen?“
Sie hob
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