verwundet (German Edition)
wie so viele emigrierte Künstler. Da er die Sprache nicht beherrschte, hat er nur Gelegenheitsjobs gemacht und ansonsten vorwiegend vom Geld seiner jüdischen Frau gelebt. Das Leben der exilierten Künstler muss verdammt hart gewesen sein.“
„Sie kennen sich ja gut aus.“
„Diese Zeit hat mich sehr beschäftigt. Das heißt, eigentlich tut sie das immer noch.“
Der Kellner servierte die Speisen. Nach dem Essen fragte er sie, ob er rauchen dürfe. Als sie nickte, steckte er sich eine Zigarette an: „Haben Sie die Vorankündigung gesehen über Gauguin? Da könnten wir zusammen hingehen.“
„Ich finde ihn eigentlich nicht so interessant, wenn ich ehrlich bin. Immer nur halbnackte Inselmädchen. Vielleicht spricht er eher Männer an.“
„Wenn er tatsächlich nur diese Art Bilder gezeichnet hat, kann ich auch darauf verzichten.“
„Ich kenne jedenfalls nur diese Art Bilder von ihm, und auch was ich über seinen Lebenslauf weiß, hat mich bisher nicht gereizt, mich näher mit ihm zu beschäftigen.“
„Sie mögen seinen Werdegang nicht?“
„Oh, ich verurteile seine Lebensweise nicht, obwohl es mir schon zu denken gibt, wenn ein Mann vor allem sehr junge und unbedarfte Mädchen liebt. Im Übrigen kenne ich ihn auch viel zu wenig, um ihn wirklich beurteilen zu können. Aber es gibt zu viel Interessantes auf der Welt, als dass ich mich näher mit jemandem beschäftigen möchte, dessen Bilder mich einfach nicht ansprechen.“
Eine Weile schwiegen beide.
Harald starrte auf seinen Wein. Als er wieder hoch sah, begegnete er ihren Augen. „Arbeiten Sie hier im Zoo?“
„Nicht mehr.“
Nach einer Pause sagte sie: „Sie sind sehr schweigsam, wenn es um Sie selbst geht.“
„Sie interessieren mich eben mehr.“
Sie erwiderte nichts und sah ihn nur ruhig an.
„Ich bin nicht mehr beim Zoo, weil ich mich mit den dortigen Zuständen nicht abfinden konnte. Vor allem stört es mich, dass die Tiere nicht einigermaßen artgerecht gehalten werden. Außerdem hatte ich mich ständig mit dem Inspektor in der Wolle.“
Sie hob fragend ihre Augenbraue.
„Nur ein kleines Beispiel. Im Robbenbecken befand sich ein Seebär, der an einer Augenentzündung litt. Ich war überzeugt, dass das am Chlor lag, mit dem die Becken gesäubert wurden. Man hätte diese auch mit einem Dampfstrahler reinigen können. Aber das hätte dem Herrn zu lange gedauert. Lieber wandte er die chemische Keule an, ohne Rücksicht auf die Tiere. Er ließ nicht mal mit sich diskutieren. Er war der Boss und ich ja nur ein Untergebener.“
„Wird das Chlor nach der Reinigung nicht weggespült?“
„Das schon, aber in den Fugen zwischen den Kacheln setzt es sich mit der Zeit trotzdem ab. Es gab immer wieder Robben, die Augenentzündungen hatten. Dem Chef war viel wichtiger, dass die Zoobesucher mit der Fütterung unterhalten werden konnten und die Becken daher immer ganz schnell fertig sein sollten. Die Tiere waren ihm egal. Ich habe mich oft mit ihm angelegt. Schließlich nimmt der Mensch sich das Recht, andere Lebewesen einzusperren, ihnen die Freiheit zu nehmen. Wenn das schon so ist, dann hat man auch die Pflicht, sie gut zu behandeln.“
„Sie sind also gegen Zootierhaltung?“
„Darüber bin ich mit mir selber uneins. Wenn es darum geht, vor dem Aussterben bedrohte Tierarten durch Nachzucht zu retten, sind Zoos vielleicht nicht schlecht. Lieber wäre mir allerdings, wenn die Menschen aufhörten, Tiere auszurotten.“
„Versuchsanstalten lehnen Sie sicher auch ab. Was gäbe es noch für Möglichkeiten?“
„Eine Zeitlang habe ich auf einem Reittherapiehof gearbeitet. Dorthin kamen Kinder, die geistig leicht behindert oder seelisch traumatisiert waren. Wir haben uns als Tierpfleger um die Pferde gekümmert, den Mist gelagert, auf den Wiesen als Düngemittel verteilt und so weiter. Aber wir haben auch mit den Kindern Ställe ausgemistet, ihnen gezeigt, wie man die Pferde versorgt, wie man sie pflegt. Sie sind geritten, während die Pferde an der Lounge geführt wurden. Sie haben die Pferde gestreichelt, wurden auch mal auf die Rücken der Pferde gelegt.“ Plötzlich lachte er. Als sie ihn fragend ansah, erzählte er. „Es gab dort Gänse und einen riesigen Ganter, der außerordentlich aggressiv war.
Besonders mich mochte er nicht. Er ging dauernd auf mich los. Wo ich auch stand oder ging, griff er mich an. Einmal hat er mich gebissen. Mein lieber Schwan, ich bin nicht empfindlich, aber das hat ganz schön wehgetan. Ich musste
Weitere Kostenlose Bücher