verwundet (German Edition)
ich will.“ Wieder wich sie seinem Blick nicht aus. Er streichelte noch immer ihr Handgelenk. Sie musterte seine Hände, sein Gesicht, sah ihm wieder in die Augen. Dann winkte sie dem Kellner.
Sie fuhren nur etwa fünf Minuten, als sie in einer Siedlung mit einzeln stehenden kleinen Häusern landeten. Harald sah sich um. „Hübsch hier.“
Sie schloss ein Zweifamilienhaus auf und machte Licht im Flur.
„Ist das Ihr Haus?“
„Nein, das Haus gehört meiner Mutter. Sie wohnt unten. Ich habe die obere Wohnung gemietet.“
„Wenn man sich mit seinen Eltern versteht, ist das natürlich eine prima Sache. Ich könnte mit meinen nicht zusammenleben.“
„Verstehen Sie sich nicht mit ihnen?“
„Nicht besonders.“
„Wegen Ihrer Kriegsdienstverweigerung?“
„Unter anderem.“
„Meine Mutter und ich akzeptieren unsere gegenseitigen Privatsphären. Außerdem ist sie das halbe Jahr verreist.“ Sie betraten die Wohnung. Im Flur, der gerade groß genug war für eine kleine Garderobe, half er ihr aus dem Mantel, was ihm einen wohlwollenden Blick eintrug. Er hängte seinen Anorak auf einen Haken und folgte ihr ins Wohnzimmer. Dabei nahm er ihre Figur näher in Augenschein. Sehr weiblich und gut proportioniert. Genau so, wie er es liebte. Im Wohnzimmer spendete eine breite Fensterfront tagsüber sicher viel Licht. Mittlerweile war es jedoch dämmrig geworden, und sie machte einige indirekte Leuchten an und zog anschließend die Vorhänge zu. Rötliche Buchenholzmöbel auf Parkettfußböden vermittelten einen warmen, einladenden Eindruck. Neben einer Couch und einem passenden Tisch beherbergte das Zimmer noch eine Essecke und mehrere kleine Regale. Harald trat an ein Bücherregal, das über der Couch befestigt war. „Viel Literatur und keinen Fernseher?“
„Ich kam nie zum Fernsehen. Als der Apparat meiner Mutter kaputt war, habe ich ihr meinen geschenkt.“
„Ich habe meinen verscherbelt.“
„Hat sich das denn gelohnt?“
„Oh, ein paar Mahlzeiten waren es schon.“
„Brauchten Sie denn so dringend Geld?“
„Nein, aber das Fernsehprogramm war so schlecht.“ Er hörte sie leise lachen, während er ihre Bücher durchsah. „Hui, eine Gesamtausgabe von Dostojewski.“
Als sie nicht antwortete, drehte er sich um. Sie beobachtete ihn. Er bewegte sich nicht, sondern ließ seine Augen aufreizend langsam über ihren Körpers gleiten, betrachtete ihren schönen Mund und landete schließlich bei ihren Augen. Auch sie hatte sich nicht gerührt und hielt seinem Blick stand. Er liebte dieses aufregende Spiel. Langsam ging er auf sie zu, legte seinen Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Ihr Kuss wurde schnell leidenschaftlich. Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen, sie war eine sinnliche Frau. Schnell war seine Erregung entfacht. Aber obwohl er es kaum abwarten konnte, sie zu berühren, bezähmte er seine Ungeduld und ließ sich Zeit.
Ungewohntes Vogelgezwitscher weckte ihn am nächsten Tag. Er rekelte sich wohlig. Was für eine Nacht! Er blickte zu ihr. Sie bedeckte mit einem ihrer Arme ihre Augen. Er war nicht sicher, ob sie noch schlief. Langsam zog er die Bettdecke von ihrem Körper.
„Der Wolf ist schon wieder hungrig?“
„Und wie!“
Ihre Stimme klang noch etwas heiser, als sie sagte: „Na ja, viel hast du ja gestern Nacht nicht übrig gelassen.“
„Hmmm.“
Als sie später auf die Uhr sah, sagte sie: „Ach herrje, schon so spät.“
„Wieso? Musst du etwa heute arbeiten?
„Nein, aber ich habe einem Freund versprochen, ihn vom Flughafen abzuholen.“
Harald ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken, sondern sprang betont locker aus dem Bett. „Eigentlich passt mir das ganz gut. Vielleicht besuche ich noch einen Freund, einen ehemaligen Wildhüter. Er kann mir sicher gute Tipps geben.“
Er zog sich an und hörte, wie sie ins Bad ging. Aus irgendeinem Grund war er auf einmal wütend auf sie. Sie stand plötzlich hinter ihm. „Frühstücken wir noch zusammen? Ein wenig Zeit habe ich noch.“
Er schüttelte den Kopf. „Ich gehe jetzt.“
„Soll ich dich nicht irgendwo absetzen?“
„Nein. Mach´s gut. Wir sehen uns.“
Kurz vor zehn am Abend stand er wieder vor ihrer Tür stand. Er hatte einen unruhigen Nachmittag hinter sich. Nachdem er nach Hause gefahren war, hatte er sich geduscht, die Wäsche gewechselt, seinen Freund angerufen, ihn aber nicht erreicht. Der Freund, von dem er bei Angelika gesprochen hatte, lebte nicht hier, sondern in Rothenburg. Er hatte
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