verwundet (German Edition)
geflunkert. Dann war er den halben Tag durch die Stadt gerannt, hatte im Café Die Zeit gelesen. Aber es hatte ihn nichts wirklich interessiert. Dauernd hatte er an sie denken müssen. Als sie die Tür öffnete, streckte er ihr einen Blumenstrauß und eine Flasche Wein entgegen.
Sie bedankte sich, und er folgte ihr ins Wohnzimmer: „Wie war es mit deinem Freund?“
„Sehr interessant.“
„Hattest du das Kleid auch vorhin an?“
Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu, bevor sie in die Küche ging, um ein kleines Messer zu holen. „Wie war dein Nachmittag?“ fragte sie nach ihrer Rückkehr. „Uninteressant!“
„Konnte dein Freund nichts für dich tun?“
„Ich habe ihn nicht erreicht.“
„Schade!“ Sie kehrte ihm den Rücken und wandte sich den Blumen zu, um die Stängel anzuschneiden. Er umschlang sie von hinten, Blumen und Messer landeten auf dem Tisch.
Sie lagen auf der Couch, die Flasche Wein war leer, die Kleidung lag verstreut auf dem Boden und den Stühlen, die Blumen hatte Angelika später aufgesammelt und in die Vase gestellt.
„Du hast wohl nicht damit gerechnet, mich wieder zu sehen.“
„Irgendwie schon.“
„Wieso?“
„Intuition.“
„Ich war mir nicht sicher, immerhin hast du mich fast rausgeschmissen.“
„Also bitte.“
„Nicht rausgeschmissen, aber ich hätte es so auffassen können oder nicht? Eine heiße Nacht und dann raus am nächsten Tag.“
„Nun Herr Wolf, das hätte umgekehrt auch gelten können, oder?“
„Stimmt. Aber du hast mir Fesseln angelegt.“
„Dafür bin ich nicht der Typ.“ Sie erhob sich von der Couch.
Harald hielt sie am Arm: „Wohin gehst du?“
„Ins Bett.“
Nachdem sie sich am nächsten Morgen erneut geliebt hatten, lagen sie noch entspannt beieinander. Harald griff nach dem Buch auf ihrem Nachttisch. Käthe Kollwitz - Die Tagebücher 1908-1943, herausgegeben von Jutta Bohnke-Kollwitz. „Ein ganz schöner Wälzer“, sagte er und wog es in der Hand. „Ist es interessant?“
„Ja, sehr.“
„Ich habe kürzlich eine Ankündigung über die Ausstellung von Käthe-Kollwitz im Stadtmuseum gesehen. Ich glaube, sie beginnt in drei Tagen. Vielleicht könnten wir zusammen hingehen.“
Sie lächelte. „Eine gute Idee.“
Harald legte das Buch auf ihren Nachttisch zurück. „Ich habe mal im Zusammenhang mit Emile Zola von ihr gelesen oder täusche ich mich?“
„Sie plante einen Zyklus zu seinem Roman Germinal .“
„Der Bergarbeiterroman.“
„Hast du ihn gelesen?“
„Ich habe alles von Zola gelesen.“
„Da habe ich mir aber einen belesenen Liebhaber ausgesucht.“
„Du meinst einen belesenen Wolf.“ Er griff nach ihr. „Einen hungrigen Wolf.“
„Irgendwann müssten wir heute einmal aufstehen“, sagte Angelika lächelnd.
„Hmmm, es ist so schön hier im Bett.“
„Wo liegt die Greifvogelstation, von der du gestern erzählt hast?“
„In Leiferde bei Gifhorn.“
„Die würde ich mir gerne einmal ansehen.“
Er sprang aus dem Bett. „Warum fahren wir nicht einfach hin?“
„Jetzt?“
„Warum nicht? So weit ist es doch nicht.“
Nach einem kurzen Frühstück fuhren sie los, überquerten die Grenze nach Niedersachsen und kamen schließlich in Leiferde an. Offiziell hieß die Station Auswilderungs- und Pflegestation für Greifvögel und Eulen . Harald stellte sich kurz vor und fragte nach Hans, der damals sein Vorgesetzter gewesen war. Man informierte ihn, dass dieser inzwischen Leiter der Station war, heute aber nicht anwesend sei. Harald bedauerte dies sehr. Er bekam jedoch die Erlaubnis, Angelika überall herumzuführen. Nachdem er ihr einiges über verschiedene Greifvögel erzählt hatte, zeigte er auf einen verletzten Bussard. „Davon gab es immer viele. Sie halten an den Straßenrändern Ausschau nach überfahrenen Tieren und werden dadurch häufig von Autos angefahren. Bei manchen gelingt die Auswilderung, wenn sie wieder gesund sind, andere werden dann hier behalten.“
Sie gingen weiter und kamen zu einigen Käfigen mit Singvögeln. „Sie sind sicher als junge Vögel von Leuten hergebracht worden. Viele fallen aus dem Nest und müssen dann hier aufgepäppelt werden. Sie brauchen stündlich Nahrung. Da ist dann ganz schön Aktion angesagt. Dies ist übrigens eine Station vom Deutschen Bund für Vogelschutz. Du könntest Mitglied werden.“
„Das bin ich bereits.“
Erfreut umarmte er sie. „Du bist klasse.“
Sie lachte über seine Begeisterung. „Ich finde es ausgesprochen schön,
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