verwundet (German Edition)
musterte sie näher. Sie war ganz hübsch, aber Typen wie Rembrandt standen im Allgemeinen auf auffälligere Frauen. Er fragte sich, wie sie es mit diesem eitlen Geck hatte aushalten können. Bald wurde das Licht im Saal dunkler, und ein Spot schien auf die Bühne, auf der die Preisrichter saßen und auch der Moderator stand. Er begrüßte das Publikum, und dann ging es auch schon los. Sechs Paare betraten nun die Tanzfläche. Harald unterdrückte nur mühsam einen Pfiff und hielt den Atem an, als er Angelika erblickte. Sie sah umwerfend aus. Gebannt starrte er sie an. Die Paare mussten fünf lateinamerikanische und fünf Standardtänze zeigen. Es wurde nach jeweils einem Tanz von Platz eins bis sechs benotet. Harald betrachtete fasziniert die Tänzer. Auch wenn er es nicht unbedingt zugeben würde, imponierte ihm die Grazie der Bewegungen. Harald sah zu Katja und begegnete ihren Augen. Hatte sie ihn schon länger beobachtet? „Nicht schlecht, Herr Specht. Tanzen Sie auch?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Wie lange tanzen die beiden schon miteinander?“
„Sechs Jahre.“
„Hat Sie das nicht gestört? Ich meine, dass die beiden..., ich meine, sie gehen ja ganz schön auf Tuchfühlung.“
„Ich habe immerhin eine Freundin gewonnen, und die Ehe war schon lange kaputt. Jetzt hat er Gesine, und Angelika ist nur eingesprungen, weil Gesine schwanger ist.“
Er widmete sich wieder der Tanzfläche. Die Wertungen aller Tänze wurden vergeben, und es stellte sich heraus, dass Angelika und Holger den dritten Platz belegten. Danach tanzten alle Paare noch gemeinsam zwei Tänze, und dann war der Wettbewerb zu Ende. Harald fragte: „Was geschieht nun?“
„Angelika und Holger holen uns ab. Vielleicht gehen wir ja noch etwas essen. So haben wir es bisher immer gehalten.“
Bald kamen die beiden auch. Katja rief ihnen entgegen. „Gratuliere.“
Angelika lachte und sagte: „Dafür, dass wir zu den älteren Semestern gehören, können wir, glaube ich, zufrieden sein.“
Harald ließ sie nicht aus den Augen. Er fragte sich, ob Holger wieder bei ihr im Bett gelandet war. Im Stillen ärgerte er sich, dass Angelika ihn nicht weiter beachtete. Was zum Teufel war los mit ihr? Die drei sprachen jetzt über ein bestimmtes Lokal, in das sie gehen wollten, und sahen Harald erwartungsvoll an. Er hatte das Gespräch nur am Rande mitbekommen, wusste nicht, um welches Restaurant es ging, und nickte einfach. Beim Wagen angekommen, sagte Katja plötzlich zu Angelika. „Setz dich ruhig nach vorne.“
Harald war etwas verblüfft. Er spürte, wie sie ihn auf der Fahrt mehrmals ansah. Als sie vor einem böhmischen Lokal hielten, hatte Harald beschlossen, sich jetzt etwas mehr Mühe zu geben. Er sprang schnell aus dem Auto, um Katja beim Aussteigen behilflich zu sein. Er reichte ihr den Arm, lächelte charmant und schlug dann die Wagentür schwungvoll zu. Sie wirkte etwas überrascht. Als sie das Restaurant betraten, kam einer der Ober auf sie zu, und nach einem kurzen Gespräch zwischen ihm und Rembrandt führte er sie an einen Tisch am Fenster. Harald half Katja aus ihrer Jacke, während Holger Angelika behilflich war. Die beiden Männer brachten die Mäntel zur Garderobe. Als sie wieder zu ihrem Tisch gingen, hatte Angelika und Katja sich gegenüber gesetzt. Es war ein Tisch für vier Personen. Harald und Holger nahmen ihre Plätze ein. Sie hatten seit dem Verlassen der Stadthalle kein einziges Wort miteinander gewechselt. Sie studierten die Speisekarte und bestellten bald die Gerichte und die Getränke. Als der Ober mit einer Flasche Wein wiederkehrte, sah Holger Harald an: „Wollen Sie vielleicht?“
Harald blieb nichts anderes übrig. Als der Kellner ihm einen Schluck eingoss, spürte er die Blicke sämtlicher Tischgenossen auf sich ruhen. Er probierte ganz sachkundig den Wein, roch an ihm, nahm dann einen Schluck, ließ ihn auf der Zunge zergehen und beurteilte ihn sachgerecht als zufrieden stellend. Zum ersten Mal war er seinem Vater für seine ständigen Predigten über gutes Benehmen dankbar. Als der Ober nun auch den anderen einschenkte, bemerkte Harald, dass Holger ein mürrisches Gesicht zog. Harald wurde von Katja in ein Gespräch gezogen. Als sie nach seinem Beruf fragte, nutzte er die Gelegenheit, ihr ein paar lustige Begebenheiten über seine Zeit als Tierpfleger zu erzählen, und bald hatte er sie mehrmals zum Lachen gebracht. Sie wurde ihm immer sympathischer. Sie wirkte nett, unkompliziert und
Weitere Kostenlose Bücher