Verzaubert
Mater haben sich sehr verändert«, erklärte Max traurig. »Zwar nicht immer zum Besseren, aber bei einer gefährlichen Kunst wie der Alchemie, einer solch unberechenbaren Wissenschaft … Vielleicht war es angebracht.«
»Was ist es denn nun? Kunst oder Wissenschaft?«
»Beides. Außerdem waren meine theologischen Studien äußerst hilfreich.«
»Mit Sicherheit.« Ich starrte weiterhin angestrengt an die Decke und fragte mich, ob ich jeden Moment in einem Krankenhaus erwachen würde, wo man mir mitteilte, dass ich nach einer Explosion in der chemischen Reinigung nebenan tagelang bewusstlos in meiner Wohnung gelegen hatte.
»Selbstverständlich ging ich nach dem Abschluss meines Universitätsstudiums bei einem Alchemisten in die Lehre.«
»Selbstverständlich.« Vielleicht hatte auch mein letztes Date, ein extrovertierter Musiker, mir irgendeine bewusstseinsverändernde Droge in den Wein geschüttet.
»Mein Meister war ein großartiger Lehrer«, erzählte Max. »Wobei er mit seinen Forschungen und Experimenten noch fortfuhr, als seine Fähigkeiten bereits nachließen.«
»Tatsächlich?« Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass ich eine Geisteskrankheit geerbt hatte. Eine Großtante väterlicherseits behauptete zwar, sie wäre einmal von Außerirdischen entführt worden, aber bei ihr handelte es sich um die Einzige in unserer Familie, deren Geisteszustand angezweifelt wurde – außerdem war sie angeheiratet.
»Jedenfalls wurde ich in meinem fünften Lehrjahr außerordentlich krank«, fuhr Max fort. »Vermutlich war es nicht lebensbedrohlich, aber das Fieber schwächte mich zu sehr, als dass ich auf die Medikamente angesprochen hätte, die er mir verabreichte.«
Es bestand natürlich auch die Möglichkeit, dass das hier wirklich passierte …
»Es gab Zeiten, in denen ich das Darauffolgende als Unglück betrachtete«, fuhr er fort, »und andere, da erschien es mir wie ein Geschenk. Mittlerweile glaube ich, dass es schlicht mein Schicksal war. Zumindest hat mir diese Einstellung in all den Jahren geholfen, einen klaren Kopf zu behalten.«
… dann musste ich mich jetzt zusammenreißen und Max unterstützen. Und wenn es nur aus dem Grund war, dass er mich davon abgehalten hatte, in diese verfluchte Glaskiste zu steigen – womit er mir vermutlich das Leben gerettet hatte. »Was geschah dann, Max?«, fragte ich. Offenbar zeigte der Brandy Wirkung, denn ich kam zu der Überzeugung, dass dies alles wirklich passierte.
»Statt mir einen Trank zu geben, der das Fieber senkte, verabreichte mein Meister mir das Elixier des Lebens.«
Den Fixpunkt an der Decke endlich loslassend, senkte ich den Kopf und sah Max an. »Das was?«
»Nun, es war nicht
das
Lebenselixier, sondern
ein
Lebenselixier«, korrigierte er. »Aber die Wirkung war beträchtlich.«
»Reden Sie weiter.«
»Das Elixier machte mich zwar nicht unsterblich –«
»Unsterblich?«, platzte es aus mir heraus.
»Aber es verlangsamte meinen Alterungsprozess erheblich.«
»Wie ist das möglich?«
»Das weiß ich leider nicht. Ich erholte mich zwar kurz darauf von meiner Krankheit, doch es dauerte eine ganze Weile, bevor mir auffiel, dass etwas Außergewöhnliches passiert sein musste.«
»Wie lange?«
»Etwa dreißig Jahre. Mein Lehrer war zu diesem Zeitpunkt bereits lange tot. Bis heute weiß ich nicht, ob er je selbst von dem Elixier getrunken hat oder ob es aus unerfindlichen Gründen bei ihm nicht auf die gleiche Weise wirkte wie bei mir.«
»Dreißig Jahre später also …«
»… bemerkte ich, dass ich mich kaum verändert hatte, während meine Zeitgenossen langsam auf das Ende zugingen oder bereits tot waren.«
»Ihnen scheint ja wirklich nichts zu entgehen.«
Er wirkte verlegen. »Und dabei wäre es noch übertrieben, zu behaupten, dass es mir auffiel. Ich hatte zwar eine gewisse Ahnung, aber es war meine Frau, die sie aussprach. Schließlich alterte auch sie wie jede andere.« Max räusperte sich. »Nachdem sie mich darauf angesprochen hatte, versuchte ich sie davon zu überzeugen, dass ich selbst nicht wusste, weshalb ich nicht älter zu werden schien. Nun, da es auch mir bewusst geworden war, verwirrte mich mein langsames Altern doch genauso wie sie! Aber glaubte sie mir? Nein, natürlich nicht!« Max war jetzt nicht mehr zu bremsen. »Ich konnte gar nicht mehr zählen, wie oft ich in meinem Labor übernachten musste, weil mich meine Frau aus dem Schlafzimmer aussperrte! Ich schwor auf alles, was einem Menschen heilig sein
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