Verzaubert
ging zu einem Tisch, auf dem sich ein Berg Bücher stapelte, und kehrte mit drei dicken, in Leder eingebundenen Exemplaren zurück. Er ließ sie in meine ausgestreckten Arme fallen. Die Dinger waren dermaßen schwer, dass ich ächzend in die Knie ging.
»Okay«, sagte ich. Langsam entwickelte ich eine gewisse Abneigung gegenüber Hieronymus. Ich betrachtete die Bücher in meinen Armen. »Natürlich würde ich sofort damit anfangen … aber …«
»Gibt eth ein Probrem?«
»Ja.« An seinem süffisanten Grinsen konnte ich ablesen, dass er genau wusste, worin es bestand. Ich zeigte mit dem Kinn auf das oberste Buch und las laut: »Äh,
Tomus Secundus De Praeternaturali … Microcosmi
… ähm, leider kann ich kein Latein.« Ich kämpfte mit den Folianten, bis ich den Titel des zweiten Buches erkennen konnte. »Oder Altgriechisch. Ist das überhaupt Altgriechisch?«
»Die heutige Schulbildung ist erschreckend mangelhaft«, sagte Max. »Keine Sorge, Esther, uns ist klar, dass wir Ihnen keinen Vorwurf machen können, sondern Sie bedauern müssen.«
Während Hieronymus die Bücher aus meinen Armen nahm, verriet sein Gesichtsausdruck bodenlose Verachtung. Dann zeigte er nach oben. »Dort thind Bücher auf Engrith.«
»Danke«, sagte ich. Aber er hatte mir bereits den Rücken zugekehrt.
Als Max und ich nach oben gingen, vertraute er mir leise an: »Die Art des armen Jungen ist zugegebenermaßen nicht gerade liebenswürdig. Aber man kann sich vorstellen, wie schwer seine Kindheit gewesen sein muss.«
»Waren seine Eltern mit ihm je bei einem guten Logopäden?«
»Ja, aber sie hatten nicht viel Hoffnung auf eine erfolgreiche Behandlung, und ihre Befürchtung hat sich leider bestätigt.«
»Weshalb? Mit den richtigen Übungen überwinden die meisten Leute ihre Sprechfehler.«
»Das Problem ist mystischer Natur, Esther, und bedauerlicherweise unabänderlich.« Nachdem wir das Treppenende erreicht und die Buchhandlung wieder betreten hatten, erklärte Max: »Seine Mutter war Mitglied des Collegiums. Während ihrer Schwangerschaft wurde sie von einem besonders bösartigen Dschinn verhext. Trotz seines Leidens kann man also von Glück reden, dass es den armen Jungen nicht noch schlimmer erwischt hat.«
»Zum Beispiel, indem er kein einziges freundliches Wort mehr hervorbringen könnte«, bemerkte ich ironisch. »Ach, entschuldigen Sie. In jedem Fall wird es ihm angenehmer sein, allein unten im Keller zu arbeiten.«
»Er ist ein Einzelgänger«, stimmte Max zu.
»Aber wenn wir verhindern wollen, dass noch mehr Menschen verschwinden, müssen wir uns untereinander austauschen, Max.«
Er seufzte. »Sie haben natürlich recht. Ich werde Hieronymus bitten, etwas höflicher zu sein.«
»Gut.« Aber ich war skeptisch, ob das etwas bewirken würde. Anscheinend hatte das Collegium Max zum Schutz der größten US -amerikanischen Stadt einen Assistenten zur Seite gestellt, der alles Mögliche in die Luft jagte und außerdem ein notorischer Griesgram war. Kein Wunder, dass das Böse in dieser Dimension ein ganz angenehmes Leben führte!
Satsy saß am Tisch hinter einem dicken Stapel Bücher. »Esther!«, rief er, als er mich kommen sah. »Ich glaube, wir werden diesen Fall schneller lösen als gedacht.«
Ich starrte auf das Buch in seiner Hand, mit dem er aufgeregt vor meiner Nase herumwedelte:
Fälle übernatürlichen Verschwindens.
»Aber diese Vorstellung ist ein Irrtum, Satsy.«
»Wie meinen?«
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich meinte, ja, hoffentlich finden wir darin etwas Hilfreiches.«
Ein Glöckchen erklang und kündigte die Ankunft eines Kunden an.
»Howdy, wie läuft’s Leute?«, rief Duke Dempsey und marschierte gefolgt von seiner Tochter in die Buchhandlung. »Verdammt nettes Fleckchen haben Sie hier, Maximillian. Sieht fast aus wie eine alte Buchhandlung.«
»Es
ist
eine alte Buchhandlung«, antwortete ich lakonisch. Da Duke aus Texas stammte, hatte er so etwas wahrscheinlich nie zuvor gesehen. »Danke, dass Sie hergekommen sind.«
»Pah! Sie helfen uns, also helfen wir Ihnen. Nichts zu danken, junge Lady.«
»Duke, Dixie, das ist Satsy«, stellte ich vor. »Er ist ebenfalls daran interessiert, diesen Fall zu lösen.«
Von seinem Platz am Tisch aus winkte Satsy freundlich lächelnd hinter den Büchern hervor. Er betrachtete Dukes mit Fransen und Strass besetztes Cowboy-Outfit mit sichtlichem Wohlgefallen und fragte: »Darling, darf ich fragen, wo du deine
tollen
Klamotten kaufst?«
Mit
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