Verzaubert
sehr alt aussehendes Zauberbuch in einer mir unbekannten Sprache. Max hatte mir erklärt, dass ein Zauberbuch eine Art Anleitung für rituelle Magie sei – sowohl »weiße« als auch »schwarze«. Ich vermutete, dass es die Autoren wenig scherte, welchem Zweck ihre Anleitungen dienten. Hauptsache, sie funktionierten.
Als die Ladentür aufging, blickte ich hoch. Max und Khyber betraten die Buchhandlung. Nach einer kurzen Begrüßung schloss Khyber seinen Laptop an und ging online. Währenddessen erzählte Max, dass weder die Untersuchung des Käfigs noch das Gespräch mit Goudini viel gebracht hatten.
»Ich nehme mal an, dass Goudini nicht den Drang verspürte, euch hierher zu begleiten und sich ein paar Bücher vorzunehmen«, stellte ich zynisch fest.
»Er ist mit seiner Nachmittagsvorstellung beschäftigt«, erklärte Max.
»Ohne das große Finale mit dem Tiger?«, fragte ich.
»The Show must go on«, sagte Khyber und fügte nach einem Blick in die Runde hinzu: »Wo stecken denn die anderen alle?«
»Whoopsy und Delilah sind wieder in der öffentlichen Bibliothek«, antwortete ich. »Und Hieronymus ist unten im Keller – wo sonst.«
»Ich werde einmal nach ihm sehen«, sagte Max. »Als ich heute Morgen fortging, wirkte er reichlich mitgenommen. Ich fürchte, der arme Junge arbeitet zu viel.«
»
Das
wird es sein«, grummelte ich.
»Barclay und Dixie proben«, fuhr Satsy fort.
»Ja, richtig, heute Abend ist die Vorstellung!«, rief Max.
»Barclays große Chance«, sagte Satsy. »Und weil er gestern stundenlang auf dem Revier festsaß, müssen sie heute hart arbeiten, damit die Show gut wird.«
»Ist Duke bei ihnen?«, fragte Khyber.
Satsy nickte. »Er ist vor einer Weile verduftet und lässt sich entschuldigen. Dixie hatte angerufen, dass sie Hilfe brauchen beim Einladen der Requisiten in den Lieferwagen und danach beim Aufbau im Cabaret.«
»Die Show muss aufwendiger sein, als ich dachte.«
»Barclay sagte, er habe in letzter Zeit viel daran gefeilt«, erklärte Satsy. »Alles für den großen Tag!«
»Ja.« Ich rieb mir die müden Augen. »Das hat er mir erzählt. Was sagte er noch? Die Nummer würde immer besser und die ganze Arbeit zahle sich endlich aus.«
»Ich würde mir seine Show heute Abend wirklich gern ansehen«, sagte Khyber.
»Ich auch«, stimmte Satsy zu. »Aber wir müssen mit unserer eigenen Show auftreten, Darling.«
»Vielleicht sollte Delilah hingehen«, schlug Khyber vor. »Es könnte die beiden aufheitern.« Im Pony Expressive in der Nacht zuvor wirkte Delilah wie eine Witwe, die Totenwache hielt. Vielleicht würde auch ihr eine Luftveränderung guttun.
»Ich kann mit ihr ins Magic Cabaret gehen«, bot ich an.
»Gute Idee«, sagte Khyber. »Wir sollten es ihr vorschlagen.«
»Wo ist dieser Laden eigentlich?«, fragte ich.
Wir sahen uns alle an und merkten erst jetzt, dass ihn keiner von uns kannte. Khyber versuchte, das Cabaret im Internet zu finden, jedoch erfolglos.
»Wir werden Barclay anrufen und fragen.« Ich blickte auf die Uhr. Es bestand kein Grund zur Eile.
»Vielleicht begleite ich euch auch«, bemerkte Max.
»Hältst du es nicht für klüger, zur Abwechslung einmal etwas früher ins Bett zu gehen?«, warf Lysander ein.
Mir entfuhr ein sehnsüchtiges Seufzen. »Früh ins Bett gehen – das klingt gut.«
Aber Barclay brauchte moralische Unterstützung, und Delilah hatte etwas Ablenkung bitter nötig. Hinter den beiden lag eine harte Woche: Barclays Assistentin hatte sich vor seinen Augen in Luft aufgelöst, und auch Samsons und Delilahs neuer Trick mündete in eine Katastrophe. Außerdem hatte Barclay beinahe sein heiß ersehntes Debüt im Magic Cabaret absagen müssen. Ich runzelte die Stirn. Und Garry Goudinis Comeback war fast unmöglich geworden … Irgendetwas hatte in meinem Kopf klick gemacht, als würden die richtigen Zahlen eines Nummernschlosses einrasten. Irgendetwas war mir klargeworden, aber ich wusste nicht, was. Ich war einfach zu verwirrt und zu müde.
»Wirst du hingehen, Esther?«, fragte Satsy mich.
»Hm?«
»Pst, sie hat wieder diesen Gesichtsausdruck«, sagte Khyber.
Barclay war außer sich gewesen, genauso wie Goudini, weil er den Trick mit dem Verschwinden aus dem Programm nehmen musste. Es war ihre beste Illusion, ihre größte Leistung. Barclay und seine große Chance, Goudini und sein Comeback … Joe Herlihy, der hoffte, mit
Der Hexenmeister
den Sprung an den Broadway zu schaffen …
War Ehrgeiz das verbindende Element?
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