Verzauberte Herzen
Wilder? Wie leicht zerfällt auch der großartigste Traum zu
Asche, wenn man ihn bei Tag betrachtet.«
Gwendolyn
blieb ihr leidenschaftlicher Protest im Halse stecken. Sie konnte ihren
Clansherrn schlecht verteidigen, während sie in den Ruinen seiner Träume saß.
Sie senkte den Kopf wieder und zupfte an den Falten ihres Lakens. »Der Herzog
von Cumberland hat das Versteck des Prinzen irgendwie entdeckt. Charles konnte
in der Dunkelheit fliehen. Aber Cumberland war wild entschlossen, unseren
Clans-herrn für den Verrat an der englischen Krone büßen zu lassen. Also haben
er und seine Soldaten ihre Kanonen die Klippen heraufgezogen und das Schloss
unter Feuer genommen.«
»Worauf
ihm, wie ich annehme, seine loyalen Clansleute zu Hilfe eilten, um unter
Trommelwirbel und Dudelsackgeheul jeden Rotrock, der es wagte, sein Schwert
gegen ihren Herrn zu erheben, zur Hölle zu schicken.«
»Sein Clan
ist ihm nicht zu Hilfe gekommen«, sagte sie leise, »MacCullough musste sich
allein verteidigen.«
»Kein
Wunder, dass er sie verflucht hat«, lachte der Drache zynisch.
»Sie hatten
Angst!«, rief Gwendolyn. »Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind im Dorf wusste,
warum seine Feinde Cumberland
den ›Schlächter‹ nannten. Sie wussten, wie er bei Culloden die
Verwundeten abgeschlachtet hatte, bis der Boden rot von schottischem Blut war.«
»Also haben
sich die Leute von Ballybliss in ihren verbarrikadierten Cottages
zusammengekauert, während ihr Clansherr
und seine Familie von Cumberland massakriert wurden.« Der emotionslose Tonfall
ließ ihn noch verächtlicher klingen.
»Sie
hofften, Cumberland werde sie verschonen, wenn sie sich nicht einmischten.«
»Und? Hat
er sie geschont?«
»Sie wurden
jedenfalls nicht in ihren Betten erstochen und ihre Häuser nicht dem Erdboden
gleichgemacht.« Dass ihr die
Schamesröte ins Gesicht stieg, konnte auch die Augenbinde nicht verbergen.
»Ihre Frauen und Töchter wurden nicht vergewaltigt und gezwungen, neun Monate
später das Kind eines englischen Soldaten zu gebären.«
Der Drache
wanderte wieder umher, und Gwendolyn lauschte fasziniert seinem kehligen
Unterton. »Aber die Krone hat jedes einzelne Goldstück, das sie sich erspart
hatten, konfisziert. Alles, was sie als Clan zusammengehalten hatte, wurde
verboten – ihre Tartans, ihre Waffen und ihre Religion. Die, die jung und
stark genug waren, verließen Ballybliss. Und die anderen verbrachten die
nächsten fünfzehn Jahre damit, ängstlich zum Himmel hinaufzuschauen und auf die
Verdammnis zu warten, die wie ein Engel der Rache auf sie herabstürzen und sie
in den Untergang schicken sollte.«
»Woher
wissen Sie das alles?«, flüsterte Gwendolyn.
»Vielleicht
bin ja ich dieser Engel.« Er fing zu lachen an, bevor sie noch wusste, wen von
ihnen beiden er verspottete. »Aber vielleicht bin ich auch nur ein
opportunistischer kleiner Teufel, der in irgendeiner heruntergekommenen
Wirtschaft einem rührseligen alten Hochlandbewohner einen Whisky ausgegeben
hat. Vielleicht hat er mir das Geheimnis von Ballybliss verraten und dabei
auch die eintausend Pfund nicht vergessen, die irgendeiner von euch für den
Verrat bekommen hat. Vielleicht hat er mir sogar erzählt, dass das Wappen der
MacCulloughs einen Feuer speienden Drachen zeigt.«
»Vielleicht
hat er das«, stimmte sie ihm zu und hätte ihm gerne geglaubt. »Schließlich gibt
es kaum etwas Geschwätzigeres als einen betrunkenen Schotten.«
»Sie
sollten Tupper nach ein paar Gläsern Portwein sehen.«
»Daran
liegt mir nun wirklich nichts. Schon wieder ein Grund, mich gehen zu lassen.«
»Das Thema
hatten wir doch schon.«
Gwendolyn
stellte sich das verwirrte Gesicht ihres Vaters vor, der nicht verstehen
konnte, warum sie ihm nicht mehr beim Anziehen half und ihm sein Porridge gab.
»Dann denken Sie
doch wenigstens an meine Angehörigen! Kümmert es Sie denn gar nicht, wie es
meiner Familie geht? Wollen Sie, dass sie mich für tot halten?«
»Wo war
denn Ihre wunderbare Familie, als dieser Pöbel Sie verschleppt hat?«, fragte er
vorwurfsvoll.
Ins Bett
gepackt mit einem schönen, warmen Ziegelstein. Damit beschäftigt, Gwendolyn für
ihr nobles Opfer zu danken, ihr ewiges Gedenken zu schwören und zu
versprechen, dass Lachlan ihr zu Ehren ein Lied schreiben würde. Gwendolyn
schluckte. Ihr Schweigen war beredt genug.
»So habe
ich mir das gedacht«, sagte er. »So wie ich das sehe, sind Sie hier bei mir
sicherer als bei Ihren Leuten.«
Das war nun
aber wirklich
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