Verzauberte Herzen
nahm sie ihm ab und genoss den
schokoladigen Duft. Der erste Schluck war pure Lust. »Ich kann mich nur
wundern, wie jemand wie Sie die Bekanntschaft eines solchen ...«, sie musste
sich zusammenreißen, um nicht die legitime Herkunft des Drachen in Zweifel zu
ziehen, »die Bekanntschaft eines solchen rätselhaften Zeitgenossen machen
konnte.«
Tupper
gluckste leise. »Das ist eine lange Geschichte. Meine Großtante Taffy hat immer
gesagt, dass ich zu viel rede. Ich möchte Sie damit nicht langweilen.«
»O bitte,
tun Sie es ruhig«, flehte Gwendolyn ihn an und zeigte auf die verschlossene
Türe. »Ich habe doch sonst nichts zu tun.«
Als er zögerte,
bot sie ihm ein Brötchen an, denn er schien ihr eine verwandte Seele zu sein.
Und richtig. Er überlegte nicht lange, ließ sich auf die gegenüberliegende
Bettkante plumpsen und schnappte sich ein buttriges Gebäck. Gwendolyn griff
ebenfalls zu. Sie musste gesellig wirken und sein Vertrauen gewinnen. Wenn sie
den Drachen in seiner eigenen Höhle besiegen wollte, musste sie alles über
seine Stärken und Schwächen wissen.
»Wir haben
uns vor zwei Jahren in einer der Spielhallen an der Pall Mall getroffen«,
erzählte Tupper und pausierte kurz, um sich ein paar Brösel von seiner
zerknitterten Weste zu klopfen.
»Warum
erstaunt mich das nicht?« Gwendolyn verbarg ihr säuerliches Lächeln hinter
einem Schluck heißer Schokolade.
»Ich war
alleine in einem der Hinterzimmer und traf gerade Vorkehrungen, mir in den
Kopf zu schießen ...« Gwendolyn schnappte entsetzt nach Luft, und Tupper warf
ihr ein aufmunterndes
Lächeln zu. »Wie gesagt. Ich war alleine in einem der Hinterzimmer und traf
gerade Vorkehrungen, mir in den Kopf zu schießen, als ...« Er machte wieder
eine Pause und saß mit offenem Mund da. Gwendolyn beugte sich vor und betete,
dass er den Namen, der ihm auf der Zunge lag, endlich ausspucken würde. »Als
... der Drache hereinspaziert kam.«
»Und er hat
Sie aufgehalten?«
Tupper
schüttelte energisch den Kopf und sprach mit dem Mund voller Gebäck weiter. »O
nein. Er wies mich darauf hin, dass ich das Schießpulver nicht ordentlich
hinuntergedrückt hatte und mir genauso gut den Fuß anstatt des Kopfes wegschießen
konnte. Er nahm mir die Pistole weg, lud sie mit seinem eigenen Ladeschieber
nach und gab sie mir zurück.«
Gwendolyn
ließ ihr Gebäck sinken und die Kinnlade nach unten fallen. »Wenn er schon so
zuvorkommend war, frage ich mich eigentlich nur, warum er Sie nicht gleich
selbst erschossen hat.«
Tupper
kicherte. »Ich hatte damals zu tief ins Glas geschaut. Seine sachliche Art hat
mich ausgenüchtert und von meinem Selbstmitleid befreit. Schauen Sie, der
Marquis von Eddingham hatte mir gerade damit gedroht, alle meine Wechsel
fällig zu stellen, weil er herausgefunden hatte, dass ich nicht flüssig war. Er
hatte vor, mich in den Ruin zu treiben. Der Skandal hätte meinen Vater
umgebracht. Natürlich wäre das genau genommen keine solche Tragödie gewesen,
weil der launische alte Bock mich stets als die schrecklichste Enttäuschung
seines Lebens betrachtet hat und sein Tod mich zum Viscount gemacht hätte. Aber
fast das ganze Erbgut besteht aus unveräußerlichen Ländereien. Der Titel hätte
mir gerade noch gefehlt, um damit im Schuldenturm zu krepieren.«
Gwendolyn
schüttelte den Kopf. »Bitte erzählen Sie mir nicht, dass der Drache Ihre
Spielschulden bezahlt hat.«
»Nicht
direkt.« Tupper lächelte wehmütig. »Er hat den Marquis zu einem Würfelspiel
herausgefordert, das bis zum Morgengrauen
dauerte.« Tupper schien immer noch erstaunt zu sein. »Ich habe noch niemals
einen ausgewachsenen Mann gesehen, der so kurz davor war, in Tränen auszubrechen,
wie den Marquis, als er begriff, dass er seine Verluste nicht mehr wettmachen
konnte. Und ich versichere Ihnen, die waren Schwindel erregend. Als die Sonne
aufging, reichte mir mein neuer Freund den Gewinn, und ich gab ihn an den
Marquis zurück und bezahlte all meine Schulden. Als der Marquis merkte, was
gespielt wurde, zerriss er die Schuldscheine, schleuderte sie uns ins Gesicht
und schrie, wir sollten daran ersticken.«
»Und der
Drache hat nichts von dem Gewinn für sich behalten?«
»Nicht
einen halben Penny.«
»Aber warum
sollte eine so großherzige Seele ausgerechnet die Dorfleute ausnehmen wollen,
die kaum mehr besitzen als die Fetzen, die sie am Leibe tragen? Braucht er das
Geld, um seine eigenen Spielschulden zu bezahlen?«
Tupper
lachte wiehernd los. »Nein,
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