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Verzauberte Herzen

Verzauberte Herzen

Titel: Verzauberte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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hatte darauf
vertraut, dass immer jemand da sein würde, der seinem Gesang lauschte, den Käfig
säuberte und ihm sein Futter gab.
    Gwendolyn
schoss herum und wusste plötzlich, was dem Raum fehlte.
    Eine Tür.
    Sie lief an
den Wänden entlang und wollte dagegen schlagen wie damals der unglückliche
Vogel an die Käfigstäbe, als er merkte, dass keiner je zurückkommen würde. Sie
glaubte fast, der Drache habe sie mit einem teuflischen Zauber belegt. Einem
dunklen Bann, der sie für immer zu seiner Gefangenen machte, während er kam und
ging, wie es ihm gefiel.
    Sie lehnte
sich an die Wand und schämte sich ihrer Angst. Was ging an diesem Ort vor sich?
Castle Weyrcraig war längst nicht mehr das Zauberschloss, für das sie es einst
gehalten hatte, doch es besaß nach wie vor die Macht, ihre kindliche Fantasie
anzuspornen. Jene Träumereien, die sie in den Jahren, in denen sie für Vater
gesorgt hatte, verleugnet hatte. Seit gestern Abend hatte sie keinen Gedanken
mehr an Vater verschwendet, und sie schämte sich dafür.
    Seine
ständigen Gedächtnislücken ließen sie hoffen. Wenn er mit seinen Gedanken
wieder in der Vergangenheit war, würde er sie eventuell gar nicht vermissen,
was aber nur ein schwacher Trost war.
    Sie riss sich
zusammen. Die Lösung für ihr Dilemma war ganz offensichtlich. Eines der
Holzpaneele war eine Tür.
    Sie lief
wieder die Wände entlang und überprüfte jede Nut mit den Fingernägeln. Doch sie
musste ihre Runde beenden, ohne dass
es auch nur ein einziges Mal ermutigend geknarrt hätte. Der Drache hätte sie
genauso gut unten im Verlies an die Wand ketten können.
    »Bei den
Fußnägeln unseres Herrn«, fluchte sie vor sich hin und klopfte jetzt die Wände
ab, während ihr Magen zu knurren begann.
    In der
Ferne war Gesang zu hören. Gwendolyn spitzte die Ohren. Sie erkannte Text und
Melodie, nicht aber die Stimme.
    Ich
liebe deine blonden Locken, Jenny Clair.
    Du bist
das schönste Kind.
    Doch ist es nicht fair,
    denn will ich dich irgendwann
kriegen,
    muss ich deine Brüder besiegen,
    die sind, wie Brüder so sind.
    Gwendolyn zuckte zusammen. Nicht nur, dass
der Sänger die Töne nicht traf, er nölte ein verqueres Schottisch, das dem
alten Tavis zur Ehre gereicht hätte. Dann pfiff er unverdrossen und falsch
weiter, und Gwendolyn drückte ihr Ohr die Vertäfelungen entlang, bis sie
endlich Schritte hören konnte. Sie hielt ihr Laken fest und schaute sich
verzweifelt nach einer Waffe um. Der Vogelkäfig war das Einzige, das ihr
geeignet erschien. Sie bat den toten Bewohner um Verzeihung, nahm den Käfig
vom Haken, drückte sich gegen die Wand und holte mit der freien Hand aus. Seine
Lordschaft, der Drache, würde schon sehen, wie es war, im eigenen Gefängnis
festzusitzen.
    Die
Holzvertäfelung knackte, und die Tür ging nach innen auf. Ein Mann duckte sich
durch die Öffnung. Gwendolyn nahm sich nicht die Zeit, noch die Nerven zu
verlieren, und schlug ihm den Käfig auf den Hinterkopf.
    Er sackte
zu einem regungslosen Haufen zusammen.
    »Oh, nein«,
schrie sie auf. Nicht weil es ihr Leid getan hätte, sondern weil zusammen mit
ihm auch ein Brotkorb und ein Krug mit heißer Schokolade zu Boden gegangen
waren.
    Sie
erwischte noch eines der Brötchen, bevor es unter das Bett kullern konnte, aber
sie konnte nicht verhindern, dass sich die schöne Schokolade in die Dielen
ergoss.
    Sie wischte
die Staubflocken von ihrem Brot, biss hinein und besah sich ihren Gefangenen.
Seine Lordschaft, der Drache, sahen gar nicht mehr so bedrohlich aus, wie er da
mit dem Gesicht nach unten in einer Pfütze aus Kakao lag. Sie tippte ihn mit
der Fußspitze an, aber er rührte sich nicht. Sie wusste, dass sie seine
Bewusstlosigkeit besser zur Flucht genutzt hätte, aber ihre Neugier war von
jeher stärker gewesen als ihre Angst. Sie konnte einfach nicht gehen, ohne einmal
das Gesicht des Drachen gesehen zu haben.
    Sie hielt
ihr Betttuch fest, kniete sich hin und versetzte dem schlaffen Körper einen
linkischen Schubser. Er rollte auf den Rücken. Gwendolyn tat einen Hüpfer nach
hinten und unterdrückte einen Schrei.
    Ihre Angst
legte sich schnell und machte einem anderen Gefühl Platz. Sie brauchte ein
wenig Zeit, um herauszufinden, welchem.
    Enttäuschung.
    Das da? Das war die furchtbare Bestie, die das
ganze Dorf terrorisiert hatte? Das war der Mann,
dessen rauchiger Bariton ihr
Schauer über die Haut gejagt hatte? Das war der Mann,
dessen Duft aus Gewürz und Sandelholz sie bis in ihre rastlosen Träume

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