Verzauberte Herzen
verschossen und sank wieder in den Sessel.
Die
Schuldgefühle, die sie all die Jahre lang unterdrückt hatte, überwältigten sie
jetzt so, dass sie gar nicht mehr ernsthaft protestiert hätte, wenn Bernard
eines der Breitschwerter von der Wand genommen hätte, um ihr damit den Kopf
abzuschlagen.
Er hatte
immer noch den Kopf gesenkt und die Hand vor die Augen gelegt. Als sein
verächtliches Schweigen schon nicht mehr zu ertragen war, riskierte Gwendolyn
einen genaueren Blick.
Seine
Schultern bebten, und Tränen liefen ihm die Wangen hinunter. Sie wollte schon
zu ihm gehen, da nahm er die Hand von den Augen. Es war kein Weinkrampf. Er bog
sich vor Lachen.
Gwendolyn
fragte sich ernsthaft, ob er nach ihrem grausigen Geständnis den Verstand
verloren hatte. Sie hatte ihn nie zuvor so unbändig lachen gesehen. Es
veränderte ihn völlig, ließ die Anspannung und Verbitterung aus seinem Gesicht
verschwinden und ihn wieder wie einen Halbwüchsigen aussehen, voller Träume
und Hoffnung auf die Zukunft.
Er lachte
sie an, als sei sie ein wunderbares Fabelwesen und nur dazu da, ihn zu
belustigen. »Für ein Mädchen, das nicht nur schön ist, sondern auch gescheit,
haben Sie manchmal recht dumme Einfälle, Gwendolyn Wilder. Ich habe nie
verstanden, warum Sie die Dörfler ständig verteidigt haben, nachdem die Sie
erst an einen verdammten Drachen verfüttern und dann auf dem Scheiterhaufen
verbrennen wollten. Aber Sie geben sich selbst die Schuld für das Unglück der
Dorfleute, nicht wahr? Sie waren ja sogar bereit, Ihre kostbare Tugend an
einen Teufel wie mich zu verschachern. Kein Wunder, dass Sie so wütend waren,
als Sie herausgefunden hatten, wer ich wirklich bin. Sie müssen geglaubt haben,
wir beide hätten wegen Ihres ›Verrats‹ keine Hoffnung auf eine gemeinsame
Zukunft.« Er wischte sich die Freudentränen aus dem Gesicht und schaute ihr mit
entwaffnender Zuneigung ins verblüffte Gesicht. »Ich fürchte, für dich ist das
alles nicht so lustig, oder ... Liebes?«
Er konnte
nicht aufhören zu lachen, ging auf sie zu, kniete sich vor sie hin und nahm
ihre eisigen Finger in seine warmen Hände. Er redete langsam und bedächtig auf
sie ein, als sei sie das kleine Mädchen von einst. »Cumberlands Angriff auf
Weyrcraig Castle war ein groß angelegtes militärisches Unternehmen.
Cumberland hätte es niemals innerhalb eines Nachmittags in die Wege leiten
können.«
»Aber die
Soldaten ... die Rotröcke ...«
»... waren
ja längst auf MacCullough-Land, als du in ihr Lager gestolpert kamst. Genau wie
die Kanonen, die später das Schloss zerstört haben.« Er rieb ihr zärtlich die
Hände. »Diese Soldaten waren einfach nur ein paar grausame Männer, die mit
einem verängstigten Kind ihr Spiel getrieben haben. Verstehst du, Gwendolyn?
Du hast ihnen nichts verraten können, was sie nicht eh schon wussten.«
Gwendolyn
runzelte die Stirn und versuchte zu verdauen, was er ihr da sagte. »Sie wollen
also sagen, dass die Engländer bereits wussten, dass Bonnie Prince Charlie bei
Ihrem Vater Zuflucht finden würde?«
»Genau
das.« Bernard nahm ihr Gesicht in beide Hände, seine Berührung so zärtlich wie
sein Tonfall. »Es gab in diesen Tagen einen Verräter in Ballybliss, mein
Liebling, aber das warst nicht du.«
Er küsste
sie sanft auf den schönen Mund und sprach sie von einer Sünde frei, die sie nie
begangen hatte.
»Oh,
Bernard!« Sie legte ihm ihre zitternde Hand auf die Wange. »Ich habe mir all
die Jahre solche Vorwürfe gemacht, weil ich dachte, ich hätte dich umgebracht.«
Sie wollte dieses Wunder nur noch festhalten und warf sich ihm an den Hals.
»Ich hätte dir doch nie ein Haar gekrümmt. Ich schwöre es dir. Ganz egal, wie
arrogant und unausstehlich du warst.«
Er vergrub
sein Gesicht in ihren Haaren und lachte leise. »Du wolltest sagen, ganz egal,
wie arrogant und unausstehlich ich bin?«
Die Hände
in seinen Tartan gekrallt, lehnte sie sich zurück. Ihr war plötzlich etwas
ganz anderes aufgegangen. »Und Papa ... oh, Papa ...«
Bernard
strich ihr eine Locke aus dem Gesicht und strei chelte sie mit den
Fingerspitzen. »Was ist mit deinem Vater?«
Gwendolyn
fühlte wieder die vertraute Mischung aus Stolz und Schmerz. »Papa hat in jener
Nacht versucht, zum Schloss zu kommen. Er war der Einzige, der den Mut hatte,
deinen Vater zu warnen, dass Cumberlands Männer unterwegs waren. Aber irgendwo
auf dem Weg zum Schloss haben ihn die Rotröcke attackiert. Sie haben ihn
grauenhaft zugerichtet ...«
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