Verzauberte Herzen
sie schützen musste, er selbst war.
Er konnte
die fleckigen Laken und die rostroten Schlieren auf Gwendolyns blassen
Oberschenkeln nicht länger ignorieren.
Und die
Rachsucht weiterlebt,
bis ihr
unbeflecktes Blut ihm gebt.
Bernard musste an den alten Fluch denken
und stützte den Kopf in die Hand. Er hatte sich das Blut einer Unschuldigen
genommen, nur um festzustellen, dass sich dadurch nichts verändert hatte. Er
hatte Gwendolyn wieder und wieder erklärt, dass der Junge, den sie einst
geliebt hatte, nicht mehr am Leben
war, aber selbst hatte er nie richtig um ihn getrauert.
Der Junge
wäre nie auf die Idee gekommen, sie für die Verfehlungen ihres Vaters zu
bestrafen. Er hätte sie nie dieser Karikatur einer Hochzeitszeremonie
unterworfen. Er hätte ihr die Feier gegeben, die sie verdient hatte. Und die
Hochzeitsnacht.
Sie hätte
sauberes Bettzeug bekommen, frische Blumen und ein warmes Kaminfeuer. Eine
Kammerzofe hätte ihr geholfen, ihre Hochzeitsrobe gegen ein jungfräulich
weißes Nachtkleid zu tauschen, ihr vorm Spiegel die Haare gebürstet und ihr
eventuell ein paar Fragen beantwortet, um ihr die Angst vor der Nacht, die vor
ihr lag, zu nehmen.
Er hätte
sich ihr nicht im Dunklen genähert, sondern bei Kerzenschein. Ein Glas Rotwein
hätte ihre Nerven beruhigt, bevor er ihr auch nur einen flüchtigen Kuss
gestohlen hätte. Er hätte sie zum Bett getragen und sie in die Kissen gebettet,
um sie dann mit all der Hochachtung, die ihr gebührte, zu lieben. Er hätte sie
nicht von einer fieberhaften Kopulation in die nächste gezwungen, ohne ihrem
zarten Körper auch nur ein wenig Erholung zu gönnen.
Bernard
ließ seinen Blick verzweifelt ihren elegant geschwungenen Rücken hinabgleiten.
Der Junge hätte ihr so vieles geben können – ein Zuhause, Kinder und sein Herz.
Bernard
hätte so gerne geglaubt, dass auch der Mann dazu fähig war. Aber er wusste,
dass er sich jedesmal, wenn er sie ansah, an
den Handel erinnerte, den ihr Vater mit dem Teufel gemacht hatte. Und daran,
was dieser Handel ihn gekostet hatte.
Plötzlich
tauchten Erinnerungen auf, die er sich fünfzehn Jahre lang verboten hatte. Der
warme, salzige Geruch seines Ponys, wenn
es heftig regnete; das tiefe Rumpeln, wenn Vater lachte; die sanfte Hand
seiner Mutter, die ihm die Locken aus der
Stirn strich. Alastair Wilders Verrat hatte ihm die Vergangenheit geraubt und,
wie es schien, auch die Zukunft.
Der Feind
hatte endlich ein Gesicht. Das Gesicht eines Mannes, den er einst bewundert und
respektiert hatte. Ein Mann, dem sein Vater das eigene Leben und das seiner
Familie anvertraut hätte. Alastair Wilder hatte dieses Vertrauen missbraucht,
und Bernard würde ihn auf ewig dafür hassen.
Es war nur
eine Frage der Zeit, bis dieser Hass alles vergiftet haben würde, was er
anfasste – auch Gwendolyn.
Es war
genauso gekommen, wie er es befürchtet hatte. Ihr Kuss, so willig geschenkt,
hatte ihn dazu verdammt, den Rest seines Lebens in Dunkelheit zu verbringen.
Und nun war er verflucht zu wissen, was Dunkelheit wirklich war, nicht der
Sonne Abwesenheit, sondern ihre.
Der
Drache erschien
Gwendolyn im Traum. Sie schlief in einem Bett aus Sandelholz und Gewürz, als
sein Schatten auf sie fiel.
Sie
weigerte sich aufzuwachen und hielt ihre Augen einfach geschlossen, während
sie schon ihre Arme öffnete und seinen
Namen flüsterte. Zuerst dachte sie, er wolle sich wieder zwischen ihre
Schenkel drängen, um ihr diesen Schmerz der Leere zu nehmen, den nur er lindern
konnte. Aber stattdessen nahm er sie in die Arme, küsste ihre Stirn, ihre Grübchen
und ihre Mundwinkel.
»Ist schon
Morgen?«, flüsterte sie und schmiegte sich an ihn.
»Nicht für
mich«, antwortete er und nahm sie fester in seine Umarmung.
Sie
kuschelte sich an ihn. »Dann muss ich ja nicht aufwachen.«
»Nein,
Engel, du kannst so lange schlafen, wie du willst.« Er drückte ihr einen Kuss
auf die Lippen, bettete sie in die Kissen
zurück und legte ihr seine Tartanschärpe um die Schultern.
Sein
Schatten verschwand. Gwendolyn vergrub sich in den Tartan und wusste, dass ihr
Drache im Schlaf über sie wachte.
Als
Gwendolyn erwachte, hatte sich ein Kobold auf ihrer Brust breit gemacht. Früher
hätte sie bei einer derartigen Entdeckung vielleicht geschrien, aber jetzt
dachte sie nur, wie erstaunlich es war, dass sie mit so einem Gewicht auf der
Brust überhaupt noch atmen konnte. Toby erwiderte ihr müdes Zwinkern.
»Wie
schaffst du es, so dick zu bleiben?«, fragte sie ihn.
Weitere Kostenlose Bücher