Verzaubertes Verlangen
voller Geheimnisse.«
Amelia runzelte die Stirn. »Ich sehe, dass dich die Nachricht bestürzt hat, aber Tante Beatrice hat Recht. Vergiss nicht, dass Mr. Jones nur ein Kunde war, Venetia.«
»Das mag ja sein, aber eins will ich euch sagen«, erklärte Venetia, während sie sich Kaffee eingoss. »Wenn er tatsächlich tot ist, dann war er höchstwahrscheinlich das Opfer eines Mordes und nicht eines Unglücks. Ich habe euch doch von den beiden Eindringlingen erzählt, die in jener Nacht versucht haben, in das Haus einzubrechen. Ich vermute, dass sie für das Feuer und sehr wahrscheinlich auch für den Tod von Mr. Jones verantwortlich sind. Die Sache sollte gründlich untersucht werden.«
Beatrice zauderte. »In der Zeitung stand nichts von Einbrechern, da wurde nur ein Feuer und ein tödlicher Unfall erwähnt. Bist du sicher, dass die beiden Männer, die du in jener Nacht im Wald gesehen hast, wirklich Einbrecher waren?«
»Sie führten jedenfalls nichts Gutes im Schilde, so viel steht fest«, antwortete Venetia. »Außerdem war Mr. Jones
zu dem gleichen Schluss gekommen. Um genau zu sein, er war sogar noch besorgter wegen dieser Männer als ich. Deshalb hat er ja darauf bestanden, dass ich durch den Geheimtunnel weggebracht wurde.«
Edward kaute munter seinen Toast. »Den Tunnel hätte ich gern gesehen.«
Keiner nahm von ihm Notiz.
Beatrice schaute nachdenklich drein. »Die örtliche Polizei hätte doch sicher ausführliche Ermittlungen angestellt, wenn es Hinweise auf ein Gewaltverbrechen oder einen Einbruch gegeben hätte.«
Venetia rührte geistesabwesend Sahne in ihren Kaffee. »Ich verstehe nicht, warum die Zeitung nichts von den Einbrechern erwähnt hat.«
»Und was ist mit den Dienstboten, die Mr. Jones’ Leiche identifiziert haben?«, fragte Edward pfiffig. »Die hätten der Polizei doch sicher von den Schurken erzählt.« Er machte eine bedeutungsschwere Pause. »Wenn tatsächlich Schurken ihre Hände im Spiel hatten.«
Alle Augen richteten sich auf ihn.
»Hmm«, sagte Venetia. »Das ist ein sehr gutes Argument, Edward. Ich frage mich, warum die Dienstboten nichts von den Einbrechern erwähnt haben.«
Beatrice schnaubte verächtlich auf ihre damenhafte Art. »Vergiss nicht, dass du nur einen sehr knapp gehaltenen Zeitungsbericht der Geschehnisse gelesen hast. Wie man die Presse kennt, ist es mehr als wahrscheinlich, dass der Artikel eine ganze Reihe von Unrichtigkeiten enthält.«
Venetia seufzte. »In dem Fall werden wir wohl nie erfahren, was wirklich in jener Nacht passiert ist.«
»Nun, ich denke, wir können mit einiger Gewissheit behaupten,
dass Mr. Jones nicht mehr unter den Lebenden weilt«, erklärte Beatrice. »Das ist vermutlich das Einzige, was an dem Artikel stimmt. Ich bezweifle, dass wir aus dieser Richtung noch weitere lukrative Aufträge erhalten werden.«
Gabriel Jones konnte nicht tot sein, dachte Venetia. Sie würde es fühlen.
Oder etwa nicht?
Sie setzte an, einen Schluck von dem starken Kaffee zu trinken, doch ein plötzlicher Geistesblitz ließ sie auf halbem Weg innehalten.
»Ich frage mich, was aus den Negativen und den Abzügen geworden ist, die ich für Mr. Jones gemacht habe.«
Amelia zuckte mit den Achseln. »Sie wurden wahrscheinlich im Feuer zerstört.«
Venetia ließ sich das durch den Kopf gehen. »Und noch etwas. In der Zeitung wurde nicht erwähnt, dass sich in der Nacht, in der Mr. Jones getötet wurde, eine Fotografin in dem Haus aufgehalten hat.«
»Und dafür sind wir ausgesprochen dankbar«, erklärte Beatrice und erschauderte sichtlich vor Erleichterung. »Das Letzte, was wir brauchen, ist, dass du in eine Mordermittlung verwickelt wirst, besonders jetzt, wo unsere finanzielle Lage endlich etwas gesicherter scheint.«
Venetia setzte ihre Tasse sehr behutsam auf der Untertasse ab. »Dank Gabriel Jones und dem Honorar, das auf seine Veranlassung hin im Voraus bezahlt wurde.«
»Durchaus«, gestand Beatrice zu. »Venetia, ich verstehe ja, dass die Neuigkeit über Mr. Jones ein Schlag für dich ist. Aber du musst dich damit abfinden. Unsere Zukunft liegt in London. Alles ist gut durchdacht. Wir müssen es jetzt in die Tat umsetzen.«
»Natürlich«, stimmte Venetia geistesabwesend zu.
»Kunden kommen und gehen, Venetia«, fügte Amelia hilfsbereit hinzu. »Eine professionelle Fotografin kann sich nicht erlauben, zu sehr an irgendeinem von ihnen zu hängen.«
»Und schließlich ist der Mann tot«, brachte Beatrice es unumwunden auf den Punkt.
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