Verzaubertes Verlangen
Monate, nachdem Miss Milton engagiert wurde, um die Sammlung in Arcane House zu fotografieren, eine andere Lady mit gleicher Haarfarbe und gleicher Augenfarbe in London als Fotografin niedergelassen hat? Ich wusste, dass Miss Milton sehr aufgeregt war wegen der Höhe des Honorars, das der Rat ihr gezahlt hat. Ich konnte sehen, dass sie große Pläne mit diesem Geld hatte, obgleich sie sich mir nicht anvertraut hat.«
»Du kannst nicht sicher sein, dass es sich um dieselbe Fotografin handelt.«
Gabriel warf über Calebs Schulter einen Blick auf die Zeitung. »Du hast doch die Beschreibungen gelesen. Der Kritiker fand ihre Werke faszinierend und ausdrucksstark. Er sagte, sie besäßen eine metaphysische Qualität. Das beschreibt Miss Miltons Bilder sehr treffend. Sie ist eine brillante Fotografin, Caleb. Und dann ist da noch die Sache mit dem Namen.«
»Wenn du Recht hast, was könnte sie dann nur bewegt haben, ihren Namen in Jones zu ändern?«
Vielleicht trug sie sein Kind unter ihrem Herzen, ging es Gabriel durch den Sinn.
Der Gedanke löste eine Woge von überwältigenden Gefühlen in ihm aus und weckte Beschützerinstinkte, von denen er bis zu diesem Moment nicht einmal geahnt hatte, dass er sie besaß.
Doch gleich darauf kam ihm ein weiterer Gedanke, der ihn mit tiefem Unbehagen erfüllte. Wenn Venetia seinen Namen angenommen hatte, um einer Schwangerschaft den Anstrich von Ehrbarkeit zu verleihen, dann musste sie von Verzweiflung und Angst getrieben sein.
Er entschied, Caleb gegenüber nichts von diesem möglichen Problem zu erwähnen.
»Ich kann nur vermuten, dass sie zu dem Schluss gekommen ist, dass sie ihre Karriere als Witwe besser verfolgen kann«, erklärte er stattdessen. »Du weißt, wie schwierig es für eine Frau ist, ein Geschäft zu eröffnen oder einen Beruf zu ergreifen, um damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Erst recht für eine alleinstehende, attraktive Frau.«
Schweigen antwortete ihm. Gabriel drehte sich um und ertappte Caleb dabei, wie er ihn abschätzend musterte.
»Miss Milton ist attraktiv?«, fragte Caleb neutral. Gabriel zog seine Augenbrauen hoch. »Sie ist einfach atemberaubend.«
»Verstehe«, sagte Caleb. »Du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet. Was meinst du, warum hat sie den Nachnamen Jones gewählt, als sie beschloss, sich als Witwe auszugeben?«
»Sehr wahrscheinlich, weil es sich anbot.«
»Weil es sich anbot«, wiederholte Caleb.
»Ich schätze, sie hat den Artikel gesehen, der nach dem Zwischenfall in Arcane House in einigen Zeitungen erschienen ist«, erklärte Gabriel. »Offenkundig hat sie beschlossen, sich meines Namens zu bedienen, da ich keine Verwendung mehr dafür hatte.«
Caleb schaute auf die Zeitung. »Das ist unter den gegebenen Umständen ausgesprochen unglücklich.«
»Mehr als unglücklich.« Gabriel wandte sich vom Fenster ab. »Es könnte sich als katastrophal erweisen. Zumindest wirft es all unsere sorgfältig geschmiedeten Pläne über den Haufen.«
»Naja, viel Erfolg hatten wir mit unserer Strategie bisher ohnehin nicht«, bemerkte Caleb. »Wir haben noch immer keine Spur von dem Dieb.«
»Die Fährte ist kalt«, pflichtete Gabriel bei. Ein leises Kribbeln lief ihm über den Rücken. »Aber ich glaube, das wird sich bald ändern.«
Caleb sah ihn durchdringend an. »Kannst du die Sache allein regeln, Cousin?«
»Mir bleibt wohl keine andere Wahl.«
»Wenn du einen oder zwei Monate warten kannst, könnte ich dir vielleicht behilflich sein.«
Gabriel schüttelte den Kopf. »Diese Sache kann nicht warten. Nicht jetzt, wo Venetia darin verwickelt ist. Du hast deine eigenen Verpflichtungen, um die du dich kümmern musst. Und wir wissen beide, dass sie ganz genauso wichtig sind wie das hier.«
»Ich fürchte, da könntest du Recht haben.«
Gabriel ging zur Tür. »Ich werde bei Morgengrauen nach London aufbrechen. Ich frage mich, was meine trauernde Witwe wohl sagen wird, wenn sie herausfindet, dass ihr verblichener Gatte quicklebendig ist.«
6
Nichts verdirbt einen sonnigen Frühlingsmorgen so gründlich wie die Rückkehr eines toten Gatten aus dem Grab.
Venetia starrte entgeistert auf die Überschrift des Flying Intelligencer .
TOTGEGLAUBTER EHEMANN VON GEFEIERTER FOTOGRAFIN KEHRT HEIM
Von Gilbert Otford
Es ist die große Freude und Ehre dieses Korrespondenten, als erster berichten zu dürfen, dass Gabriel Jones, von dem angenommen wurde, er sei während seiner Hochzeitsreise im amerikanischen Westen ums
Weitere Kostenlose Bücher