Verzaubertes Verlangen
Nutzen.
12
»Christopher Farley steht heute Abend eindeutig tief in Ihrer Schuld, Mr. Jones.« Adam Harrow schwenkte den Champagner in seinem Glas mit einer trägen Bewegung seiner behandschuhten Finger. »Obwohl ich sicher bin, dass sich selbst ohne Ihre Anwesenheit eine stattliche Zahl von Besuchern eingefunden hätte, allein aufgrund der überragenden Fotografien Ihrer Gattin. Nichtsdestotrotz nehme ich stark an, dass die Nachricht von Ihrer überraschenden Rückkehr ein Übriges getan hat, um eine so große Menge anzulocken.«
Gabriel wandte seine Aufmerksamkeit von dem gerahmten Foto ab, das er betrachtet hatte, und musterte den schlanken, anmutig blasierten jungen Mann, der sich neben ihn gestellt hatte.
Venetia hatte ihm Harrow kurz nach ihrem Eintreffen im Ausstellungssaal vorgestellt. Gleich darauf war sie von einer Traube von Leuten verschluckt worden, die zu gleichen Teilen aus Kollegen, Bewunderern und einfach nur Neugierigen zu bestehen schien. Im Moment hielt sie am gegenüberliegenden Ende des Saals Hof. Gabriel hatte schnell erkannt, dass er heute Abend auf sich allein gestellt sein würde. Die Ausstellung war vorrangig ein gesellschaftliches Ereignis, doch neben den ernsten Unterhaltungen über die Kunst der Fotografie und dem neuesten Tratsch hatte seine Frau Geschäftliches zu besprechen.
Zum Glück hatte Harrow sich als interessanter Gesprächspartner entpuppt. Seine Stimme war tief und kultiviert. Er strahlte die amüsierte Gelassenheit aus, die ihn als
einen Gentleman kennzeichnete, der in allem immer nur das Beste gewöhnt war, von Clubs über Geliebte bis hin zu Kunst und Weinen. Seine Hose und sein Hemd mit dem hohen Kragen waren nach der neuesten Mode maßgeschneidert. Sein hellbraunes Haar war glatt aus seiner Stirn zurückgekämmt und glänzte vor Pomade.
Harrows Züge waren feingeschnitten, beinahe zart. Er erinnerte Gabriel an einen jener entrückt schönen Ritter, die Burne-Jones so gerne malte. Bei dem Gedanken an den Maler erkannte Gabriel wieder einmal, wie häufig der Name Jones doch war. Kein Wunder, dass Venetia zu dem Schluss gekommen war, dass niemandem ein Jones mehr oder weniger in London auffallen würde.
»Farley ist also der Veranstalter dieser Ausstellung?«, fragte Gabriel.
»Ja.« Harrow trank einen Schluck Champagner und senkte sein Glas. »Er ist ein Gentleman mit einem beachtlichen Vermögen, der zum Mäzen der fotografischen Gemeinde geworden ist. Er ist besonders großzügig jenen gegenüber, die in der Branche noch nicht etabliert sind. Er unterhält sogar eine bestens ausgestattete Dunkelkammer hier im Haus. Für Fotografen, die sich keine eigene Ausrüstung und Chemikalien leisten können.«
»Bemerkenswert.«
»Farley hat viel dazu beigetragen, dass die Fotografie verdientermaßen als Kunstform betrachtet wird.« Harrow zog eine seiner fein geschwungenen Brauen hoch. »Leider ist diese Sichtweise in einigen Kreisen noch immer umstritten.«
»Schwer zu glauben, wenn man sieht, wie viele sich heute hier eingefunden haben«, bemerkte Gabriel.
In dem hell erleuchteten Ausstellungssaal drängten sich die elegant gekleideten Besucher. Sie promenierten mit einem Glas Champagner oder Limonade in der Hand durch den Raum und betrachteten betont kennerhaft die Bilder an den Wänden.
Die ausgestellten Bilder waren Werke verschiedener Fotografen und waren entsprechend der Wettbewerbskategorien arrangiert worden: Landschaften, Porträtaufnahmen, Stadtansichten von London und künstlerische Themen. Venetia hatte Fotografien in den Kategorien »Porträts« und »Stadtansichten« eingereicht.
Gabriel überlegte sich, dass Harrow eine recht nützliche Informationsquelle sein könnte. Wenn der Dieb sich in Venetias Geschäftskreisen bewegte, war er möglicherweise heute Abend hier.
»Ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie mir mehr über einige der Anwesenden erzählen könnten«, sagte Gabriel. »Meine Frau scheint sich in recht gehobenen Kreisen zu bewegen.«
Harrow musterte ihn mit forschendem Blick, dann zuckte er mit den Achseln. »Mit Vergnügen. Ich kenne selbstverständlich nicht jeden, aber ich kann Ihnen einige der wichtigsten Gesichter zeigen.« Er deutete mit einem Nicken auf ein elegantes Paar mittleren Alters. »Lord und Lady Netherhampton. Sie zeigen sich gern als Kunstkenner. Die Tatsache, dass sie beide heute Abend hier sind, verleiht der Ausstellung beachtliches Prestige.«
»Verstehe«, sagte Gabriel.
Harrow lächelte schelmisch.
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