Verzaubertes Verlangen
Kanonenrohr.« Gabriel stellte die Holzkiste ab und nahm Venetia die Hutkamera aus der Hand. Er inspizierte sie eingehend. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
»In unserem Metier nennen wir sie Detektivkameras. Es gibt sie in den verschiedensten Formen. Ich habe Kameras gesehen, die in Vasen und Aktenkoffern und allen möglichen anderen Gegenständen verborgen waren.«
»Auf diese Weise hat er also die Bilder von Ihnen gemacht, ohne dass Sie etwas davon gemerkt haben.«
»Ja.«
Gabriel legte die Hutkamera zurück auf das Bord, hob die Kiste wieder auf und ging zur Hintertür. »Gibt es einen einträglichen Markt für die Arbeit mit Detektivkameras?«
»Ja«, sagte sie und folgte ihm. »Im Moment ist es natürlich noch ein Nebenverdienst, aber ich vermute, mit der Zeit wird es einen Großteil der Aufträge in unserer Branche ausmachen.«
»Wer bezahlt denn Geld dafür, heimlich Bilder aufnehmen zu lassen?«
»Denken Sie doch nur mal an die Möglichkeiten, Mr.
Jones. Überlegen Sie sich, wie viele Ehefrauen dafür zahlen würden, Bilder von ihren ehebrecherischen Gatten in Begleitung ihrer Mätressen in die Finger zu bekommen. Und nicht zu vergessen all die argwöhnischen Ehemänner, die fürchten, ihre Frauen könnten sich mit anderen Männern treffen. Das finanzielle Potential ist praktisch unbegrenzt.«
»Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie eine sehr zynische Sicht von der Ehe haben, Mrs. Jones.«
»Ich persönlich halte sie lieber für eine realistische Sichtweise.« Sie überlegte kurz. »Aber zumindest ist jetzt die Frage beantwortet, die mich in Bezug auf Mr. Burton nicht losgelassen hat.«
»Sie wissen jetzt, wie er sich die neue Ausrüstung und die ganzen Materialien leisten konnte.«
»Ja. Er hat sich auf das Arbeiten mit der Detektivkamera verlegt.«
Zu Hause in dem kleinen Haus in der Sutton Lane steckte Venetia die letzten Negative zurück in die Holzkiste. Sie setzte sich wieder in ihren Schreibtischsessel und sah Gabriel an.
»Sie hatten Recht, Sir«, sagte sie. »Mit Ausnahme des einen retuschierten Negativs ist nichts Bemerkenswertes an irgendeiner der anderen Aufnahmen.«
»Abgesehen von der Tatsache, dass sie sehr genau Ihr Kommen und Gehen festhalten sowie die Leute, die Sie in den vergangenen Tagen getroffen haben«, erklärte Gabriel leise. »Entweder Burton war tatsächlich krankhaft besessen von Ihnen, oder jemand hat ihn engagiert, um Sie zu beschatten.«
21
Amelia und Maud Hawkins, die junge Frau, die das Atelier führte, saßen in dem kleinen Zimmer zusammen, das an den Empfangssalon grenzte. Gemeinsam betrachteten sie einen jungen Mann in einer römischen Toga, der vor ihnen posierte.
Maud war nur ein Jahr älter als Amelia. Sie war die Tochter einer Haushälterin und eines Butlers und fest entschlossen, sich nicht wie ihre Eltern in herrschaftlichen Dienst zu begeben. Sie hatte sich kurz nach der Eröffnung des »Atelier Jones« um die Stelle beworben und war vom Fleck weg eingestellt worden. Maud war gescheit und voller Elan und konnte ausgezeichnet mit Kunden umgehen.
Der Mann in der Toga war Jeremy Kingsley. Er war der letzte der drei Kandidaten, die sich auf das Zeitungsinserat gemeldet hatten. Die ersten beiden hatten sich als unbrauchbar erwiesen, aber Jeremy war recht vielversprechend, wie Amelia fand. Sie konnte sehen, dass Maud ähnlich empfand.
Jeremy war hochgewachsen und blond, mit stahlblauen Augen und einem markanten Kinn. Er sah in der Toga sehr attraktiv, wenngleich auch ein wenig verlegen aus. Das Kleidungsstück entblößte seine muskulösen Arme und eine seiner kräftigen Schultern. Jeremy verdiente seinen Lebensunterhalt in einem Mietstall. All die Jahre, in denen er Ställe ausgemistet, massige Pferde versorgt und Kutschen umhergeschoben hatte, hatten Wunder an seiner Figur getan, dachte Amelia.
Sie riss ihre Augen von Jeremy los und machte sich eine
Notiz auf einem Zettel. Männliche Schultern . Venetia mochte solche Details.
Als sie wieder aufblickte, bemerkte sie, dass Maud Jeremy immer noch anstarrte, als wäre er ein sehr appetitliches Sahnetörtchen.
»Vielen Dank, Mr. Kingsley«, sagte Amelia. »Das genügt für den Moment. Sie können sich jetzt wieder anziehen.«
»Wenn ich so frei sein darf, Miss.« Jeremys edle Stirn runzelte sich besorgt. »Bin ich das, was Sie suchen, Miss?«
Amelia schaute Maud an.
»Ich denke, er ist genau das, was wir suchen«, sagte Maud. »Die Toga steht ihm gut, oder nicht?«
Jeremy schenkte
Weitere Kostenlose Bücher