Verzaubertes Verlangen
offenbarte Fixierbadwannen und Flaschen mit Chemikalien.
Burtons Ausstattung war blitzblank und wirkte recht neu, bemerkte sie, und alles war von bester Qualität. Einige der Flaschen auf dem Bord waren noch immer mit Wachs versiegelt.
Die Kammer war so dunkel, dass Venetia beinahe die Holzkiste übersehen hätte, die unter dem Arbeitstisch stand. Sie bückte sich und klappte den Deckel auf. Es befanden sich mehrere Trockenplattennegative darin.
Sie musste nur eine davon anschauen, um zu wissen, was sie da gefunden hatte.
Die verräterischen Schritte hinter sich hörte sie nicht. Als sich eine kräftige Männerhand über ihren Mund legte, war es längst zu spät zum Schreien.
Als sie auf die Füße gezerrt wurde, griff sie sich die einzige mögliche Waffe in Reichweite, eine Zange, mit der man sonst Abzüge aus dem Fixierbad fischte.
20
»Seien Sie mucksmäuschenstill«, flüsterte ihr Gabriel ins Ohr. Venetia entspannte sich erleichtert. Sie nickte heftig und ließ die Zange los.
Er nahm seine Hand von ihrem Mund und drehte sie herum. Im Schummerlicht der Dunkelkammer wirkte er sehr groß und sehr verärgert.
»Was, zum Teufel, machen Sie denn hier?«, fragte er in einem bedrohlich sanften Tonfall. »Ich dachte, Sie würden den Tag im Atelier verbringen.«
Sie gewann mit einiger Mühe ihre Fassung zurück. »Die Frage sollte wohl eigentlich ich stellen. Wenn ich mich richtig erinnere, wollten Sie sich heute Vormittag mit einem betagten Mitglied der Arcane Society unterhalten.«
»Ich habe bereits mit Montrose gesprochen. Auf dem Rückweg zur Sutton Lane habe ich mich entschieden, noch eine Stippvisite bei dieser Adresse zu machen.«
»Was hofften Sie denn, hier zu finden?«, fragte sie bissig.
»Ich wollte mehr über Burton erfahren.«
»Du meine Güte, warum denn das? Sein Tod hat doch wohl kaum etwas mit der verschwundenen Formel zu tun.«
Gabriel erwiderte nichts.
Ihr schnürte sich der Magen zusammen. »Oder etwa doch?«
»Vielleicht nicht«, räumte er ein. »Mehr kann ich nicht sagen.«
Sie räusperte sich. »Mir ist nicht entgangen, dass der Ausdruck vielleicht nicht eine gewisse Zweideutigkeit besitzt.«
»Sie sind, wie immer, sehr scharfsinnig, Madam.« Er warf
einen Blick auf die Holzkiste. »Wie ich sehe, haben Sie die Negative der Fotos gefunden, die er von Ihnen gemacht hat.«
»Ja.«
»Ich bin sie durchgegangen. Mit Ausnahme des Grabmals mit Ihrem Namen scheinen sie alle eher harmlos. Da sind Bilder von Ihnen beim Verlassen einer Bäckerei und beim Betreten Ihres Ateliers und beim Plaudern mit einem Kunden, all so etwas halt.«
Sie erschauderte. »Burtons Neid muss in ihm eine merkwürdige Besessenheit von mir geweckt haben.«
»Ich persönlich frage mich langsam, ob er wirklich so fixiert auf Sie war«, erwiderte Gabriel.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich finde die Tatsache, dass Burton Sie mehrere Tage lang beschattet hat und dann gestern Abend ganz in Ihrer Nähe ermordet wurde, beunruhigend, um es vorsichtig auszudrücken.«
»Was?« Die Andeutung hinter seinen Worten traf sie wie ein Schlag. »Einen Moment mal, Sir. Wollen Sie damit sagen, dass möglicherweise eine Verbindung zwischen mir und Mr. Burtons Tod besteht?«
»Es ist eine Möglichkeit, die ich für den Moment nicht von der Hand weisen kann.«
»Ich möchte Sie ja nur ungern daran erinnern, Sir, aber ich bin derzeit die Einzige, von der wir wissen, dass sie ein Motiv hatte, den armen Burton zu ermorden. Angesichts der Tatsache, dass ich es nicht gewesen bin, müssen wir davon ausgehen, dass jemand anders ihn aus einem Grund umgebracht hat, der absolut nichts mit mir zu tun hat.«
»Vielleicht.«
»Da ist schon wieder dieses Wort«, sagte sie. »Wo, bitte, liegt der Fehler in meiner Argumentation?«
»Ihre Überlegungen sind durchaus überzeugend, meine Liebste, aber sie stützen sich auf einen beunruhigenden Zufall. Solche Erklärungen haben mir noch nie gefallen.«
Es ärgerte sie, dass er sie so beiläufig meine Liebste genannt hatte. Anscheinend hatte ihre Beziehung ein Stadium erreicht, in dem derartige Vertraulichkeiten an der Tagesordnung waren.
Er sah sie an. »Sie haben mir noch nicht gesagt, was Sie dazu veranlasst hat, herzukommen und einen netten kleinen Einbruch zu begehen.«
Sie biss die Zähne zusammen. »Ich bin nicht wirklich eingebrochen. Ich habe nur ein wenig mit einer Haarnadel herumgestochert, und die Tür ging auf.« Sie stockte. »Wie sind Sie denn hereingekommen?«
»Ich habe auch
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