Verzaubertes Verlangen
fragte Amelia und veränderte den Winkel des Schirms leicht.
»Viel besser, danke«, sagte Venetia.
Sie blickte abermals durch den Sucher. Diesmal konzentrierte sie sich kurz, so wie sie es immer tat, bevor sie ein Foto machte.
Licht und Schatten verkehrten sich. Rosalind Flemings Aura flammte auf, pulsierend von intensiver Energie.
Rosalind brannte nicht vor Ungeduld, erkannte Venetia. Sie kochte vor Wut.
Am besten brachte sie die Sache schnellstens zu Ende.
»Bitte halten Sie still, Mrs. Fleming«, wies Venetia sie an.
Sie machte die Aufnahme. All ihre Instinkte drängten sie, so schnell wie möglich Rosalinds Haus zu verlassen, doch ihre professionelle Vernunft hielt sie zurück.
»Es wäre besser, noch eine zweite Aufnahme zu machen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, diese Pose einen Moment länger zu halten, Mrs. Fleming.«
»Na schön, wenn Sie darauf bestehen.«
Venetia zog die belichtete Platte aus der Kamera, legte eine neue ein und machte eine weitere Aufnahme.
»Ausgezeichnet«, sagte sie erleichtert. »Ich denke, Sie werden mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein.«
»Wann sind die Abzüge fertig?«, fragte Rosalind ohne große Begeisterung.
»Ich habe im Moment ziemlich viel zu tun. Aber ich kann sie Anfang der Woche für Sie bereitstellen.«
»Ich werde einen der Dienstboten schicken, um sie abzuholen«, sagte Rosalind.
Venetia nickte Amelia zu, die die zunehmend angespannte Atmosphäre ebenfalls spürte und bereits angefangen hatte, die Schirme, Spiegel und Reflektoren zusammenzupacken.
»Ich werde einen Diener rufen, der Ihnen mit Ihren Gerätschaften helfen kann«, sagte Rosalind. Sie glitt über den Teppich zu einem zierlichen Sekretär und zog an einer samtenen Klingelschnur.
»Danke«, murmelte Venetia, während sie die Kamera vom Stativ abmontierte.
»Der Nachteil an Ehemännern ist, dass sie so viel Zeit und Aufmerksamkeit beanspruchen«, kehrte Rosalind zu ihrer vorherigen Unterhaltung zurück. »Egal, wie reich sie sind, sie haben die unangenehme Neigung, sich darüber zu beschweren, wie viel Geld man für so lebenswichtige Dinge wie Kleider und Schuhe ausgibt. Sie zucken mit keiner Wimper bei dem Gedanken, ihre Mätressen mit kostbaren Juwelen zu behängen, aber wenn ihre Gattin auch nur das kleinste Kinkerlitzchen ersteht, hat die Nörgelei kein Ende mehr.«
Venetia war dabei, ihr Stativ zusammenzuklappen, doch sie hielt inne. »Ich bitte um Verzeihung, Madam, aber ich denke, wir sollten lieber das Thema wechseln. Ich bin sicher, dass Sie sich dessen nicht bewusst sind, aber meine Schwester, Amelia, ist erst sechzehn. Man spricht in Anwesenheit junger Damen dieses Alters nicht von derartigen Dingen.«
Amelia stieß einen seltsamen, halb erstickten Laut aus
und tat, als wäre sie vollauf mit den Reflektoren beschäftigt. Venetia konnte sehen, dass sie mit Mühe ein Lachen unterdrückte.
»Verzeihen Sie mir«, sagte Rosalind. Eisig lächelnd musterte sie Amelia, als hätte sie sie bis jetzt gar nicht bemerkt. »Ich hatte keine Ahnung, dass sie so jung ist. Ich muss gestehen, sie wirkt recht reif für ihr Alter und sehr erfahren bei der Arbeit.« Sie wandte sich wieder zu Venetia um. »Sie haben sie offenkundig gut unterwiesen. Sagen Sie mir, Mrs. Jones, wo haben Sie Ihr Gewerbe erlernt?«
Damit hatte Rosalind ihr den Fehdehandschuh hingeworfen.
Venetia bezähmte mit Mühe ihren Zorn.
»Die Fotografie ist sowohl eine Kunstform als auch ein Handwerk, wie Sie wissen, Mrs. Fleming«, erwiderte sie. »Mein Vater hat mir kurz vor seinem Tod meine erste Kamera geschenkt und mir die Grundbegriffe beigebracht. Ich habe das Glück, dass meine Tante eine begabte Künstlerin ist. Von ihr habe ich viel über Bildkomposition und den Einsatz von Licht und Schatten gelernt.«
»Ich kann mir vorstellen, dass Mr. Jones sehr überrascht gewesen sein muss, als er herausfand, dass seine Frau ein Geschäft eröffnet hat, während er mit Amnesie durch den Wilden Westen irrte.«
»Mr. Jones«, sagte Venetia tonlos, »ist ein sehr modern denkender Ehemann und sehr fortschrittlich in seinen Ansichten.«
»Ach ja? Mir war nicht bewusst, dass es so etwas wie einen modern denkenden Ehemann überhaupt gibt.«
Die Tür zur Bibliothek ging auf. Ein Diener in Livree kam herein.
»Ja, Madam?«
Rosalind deutete auf die aufgestapelte Fotoausrüstung. »Du kannst die Gerätschaften jetzt hinausschaffen, Henry. Und dann ruf eine Droschke für Mrs. Jones und ihre Gehilfin.«
»Ja, Madam.«
Henry bückte
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