Verzaubertes Verlangen
dachte er.
An der nächsten Ecke bog er abrupt nach rechts ab und schlüpfte in einen schmalen Durchgang zwischen zwei Zeilen von Stadthäusern. Dort drückte er sich flach gegen die Wand und wartete.
Der Mann im braunen Anzug schoss gleich darauf mit ausgesprochen nervösem Gesichtsausdruck an dem Durchgang vorbei. Gabriel packte ihn am Arm, zog ihn in den schmalen Weg und drückte ihn gegen die Mauer.
»He, was machen Sie denn da?«, quiekte der Mann in dem braunen Anzug. Seine Augen wurden tellergroß, als er die Pistole in Gabriels Hand sah.
»Warum verfolgen Sie mich?«, wollte Gabriel wissen.
»Immer mit der Ruhe. Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden.« Der Mann in dem braunen Anzug konnte seinen Blick nicht von der Pistole losreißen. »Ganz ehrlich.«
»In dem Fall haben Sie wohl keinen Wert für mich, oder?«
Der Mann in dem braunen Anzug sah ihn entsetzt an. »Sie können mich doch nicht einfach erschießen.«
»Warum nicht?«
»Sie haben kein Recht dazu. Ich bin ein unbescholtener Bürger.«
»Erklären Sie mir, wie unbescholten Sie sind.«
»Ich gehe nur meinen Geschäften nach.« Der Mann in dem braunen Anzug machte sich groß. »Ich bin nämlich Fotograf, Sir.«
»Ich sehe keine Kamera.«
»Fotografen laufen nicht immer mit einer Kamera in der Hand herum.«
»Das stimmt wohl. Ich habe jüngst entdeckt, dass sie manchmal mit einer versteckten Kamera in ihrem Hut herumlaufen.« Gabriel beäugte argwöhnisch die Kopfbedeckung des Mannes. Er streckte die Hand aus und nahm ihm den Hut vom Kopf. Es war keine Kamera darin verborgen.
»Also jetzt hören Sie mal«, krächzte der Mann im braunen Anzug. »Sie können doch nicht einfach –«
Eine Gestalt trat in den Durchgang.
Gabriel und der Mann im braunen Anzug wandten beide die Köpfe um. Gabriel war verärgert über die Störung. Auf dem jämmerlichen Gesicht des anderen Mannes spiegelte sich die Hoffnung, dass Rettung im Anmarsch wäre.
»Mr. Jones?« Venetia kam mit forschen Schritten auf die beiden Männer zu. Sie hielt den Saum ihres schwarzen Kleides hoch, damit er nicht über die Pflastersteine fegte. »Was, in aller Welt, geht hier vor? Mrs. Trench sagte, dass Sie noch etwas zu erledigen hätten, aber ich hatte den starken Verdacht, dass Sie etwas im Schilde führten.«
»Sie kennen mich einfach zu gut, meine Liebste.«
Etwas verspätet bemerkte sie die Pistole. »Mr. Jones .«
Gabriel seufzte. »Sie sollten wirklich endlich anfangen, mich beim Vornamen zu nennen, meine Liebste.« Er deutete mit einem Nicken auf den Mann im braunen Anzug. »Kennen Sie diesen Mann?«
»Ja, natürlich.« Sie grüsste ihn mit einem höflichen Nicken. »Guten Tag, Mr. Swinden.«
Swinden tippte sich nervös an die Hutkrempe. »Mrs. Jones. Sie sehen wie immer bezaubernd aus. Schwarz lässt Sie einfach strahlen.«
»Danke.« Sie wandte sich zu Gabriel um und durchbohrte ihn mit ihrem Blick. »Was geht hier vor?«
»Die gleiche Frage habe ich gerade Mr. Swinden gestellt«, sagte Gabriel. »Er ist mir und Edward in den Park gefolgt, hat dort herumgelungert, während wir den Drachen steigen ließen, und dann ist er uns nach Hause gefolgt. Ich fand das recht merkwürdig.«
Swinden wandte sich flehentlich an Venetia. »Das ist alles ein schreckliches Missverständnis, Mrs. Jones. Ich war zufällig
in der Nähe, wissen Sie, um frische Luft zu schnappen, und Mr. Jones hier hat offensichtlich voreilige Schlüsse gezogen und denkt, ich würde ihn bespitzeln.«
»Sie werden mir verzeihen, Mr. Swinden«, sagte Venetia, »aber ich muss gestehen, dass ich zu dem gleichen Schluss komme. Sie wohnen nicht in diesem Teil der Stadt.«
Swinden räusperte sich. »Ich habe einen Kunden in diesem Viertel.«
»Wie lautet die Adresse?«, fragte Gabriel.
Swindons Züge entgleisten. »Ähm –«
»Es gibt keinen Kunden«, sagte Gabriel.
»Ich hab mich auf der Suche nach der Adresse verlaufen«, murmelte Swinden.
Er wirkte jetzt entschieden mutiger. Venetias Gegenwart hatte ihm Zuversicht verliehen, ging es Gabriel durch den Sinn. Swinden war zweifellos überzeugt, dass er sicher war, solange sie da war.
»Wenn das so ist, zeige ich Ihnen gern den Weg zurück in einen vertrauteren Teil der Stadt«, sagte Gabriel. »Ich kenne eine Abkürzung. Sie führt durch ein ziemlich gefährliches Viertel und durch einige recht dunkle Gassen und am Hafen vorbei, aber haben Sie keine Angst, ich habe ja meine Pistole dabei.«
»Nein«, rief Swinden entsetzt aus. »Ich
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