Verzehrende Sehnsucht
kurz. Dann beschloss sie, ihm den Grund für ihren anfänglichen Ärger mitzuteilen. Sie wollte nicht, dass er dachte, sie sei immer so hitzig. "Vor ein paar Jahren hatten wir ein Mädchen hier. Sie hieß Hester. Sie war genauso hübsch wie Meg und genauso kokett – vielleicht noch ein wenig mehr als Meg. Ein junger Ritter traf ein, der angeblich um Laelia werben wollte. Eines Tages ritt er ohne jeden Abschied davon. Zuerst nahmen wir an, es läge daran, weil mein Vater sich nicht geneigt gezeigt hatte, seinen Antrag in Betracht zu ziehen. Ein paar Wochen später jedoch fanden wir den wahren Grund heraus. Hester trug ein Kind von ihm unter dem Herzen. Und er hatte dem armen Mädchen alles Mögliche versprochen, sogar die Ehe. Wir kannten den Ritter gut genug, um zu wissen, dass er ein Mann war, der Hester alles erzählt hätte, nur um sie in sein Bett zu bekommen. Aber Hester gab die Hoffnung nicht auf, dass er zurückkehren würde. Also bat ich meinen Vater, einen Reiter zu diesem Ritter zu schicken, um ihm die Nachricht zu überbringen, dass er Vater wurde. Ich zwang mich zu hoffen, dass er ihr zumindest ein paar Zeilen, ein wenig Geld – irgendetwas – schicken würde. Aber dieser Kerl ließ uns nur ausrichten, wir sollten ihm doch dafür dankbar sein, dass er sie eingeritten und ihr beigebracht habe, wie man einem Mann gefalle."
Becca erbebte vor Abscheu und Empörung. "Die Gefühllosigkeit jenes Mannes hat Hester zerstört." Sie seufzte und war so traurig wie immer, wenn sie an jene schrecklichen Tage dachte. "Wenn ihr Kind am Leben geblieben wäre, hätte sich vielleicht alles anders entwickelt. Aber sie verlor es und mit ihm jegliche Hoffnung."
Becca wandte sich ab. Sie war unfähig, Sir Blaidds besorgtem, durchdringendem Blick standzuhalten. "Sie ist jetzt eine Hure, unten im Dorf. Ich begegne ihr manchmal. Und jedes Mal bricht es mir das Herz." Sie hob den Blick und schaute ihn entschlossen an. "Ich werde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal geschieht."
Sir Blaidd streichelte mit seiner kräftigen Hand ihr Kinn. "Ich sehe, dass Ihr nicht nur über Eure Schwester und das Tor wacht, Mylady", erwiderte er weich. "Ich bin sicher, dass Eure Fürsorge hier sehr geschätzt wird."
Sie wich zurück. Vor ihm und seiner Berührung. Und seiner tiefen mitfühlenden Stimme. "Natürlich."
"Ich schwöre Euch feierlich, dass ich dafür sorgen werde, dass Trevelyan nichts Unehrenhaftes dieser Art anrichtet. Und versteht das als Schwur eines Ehrenmannes."
"Danke", murmelte sie. Ihr Atem ging schnell und flach. Sie beschloss, dass es das Beste wäre, so schnell wie möglich zu verschwinden. Sie wollte weg von diesem gefährlich attraktiven Ritter.
Er legte ihr sanft die Hände auf die Schultern. Sie öffnete den Mund, um ihm zu sagen, dass er sie loslassen sollte. Doch die Worte kamen ihr einfach nicht über die Lippen. Niemals hatte sie jemand so berührt, als wenn sie zerbrechlich und kostbar zugleich wäre.
Sie wehrte sich nicht, als er sie an sich zog. Ihr war nicht nur ihre Stimme abhanden gekommen, sondern auch ihr Wille. Als Blaidd ihre Taille umfasste, stimmte Becca schweigend dem zu, was sich nun anschließen würde.
Er küsste sie. Seine Lippen berührten die ihren. Ein sanfter Hauch. Sie lehnte sich an ihn. Erlaubte ihm, sie tiefer zu küssen, und erwiderte seinen Kuss.
Nach all den vielen Jahren in Laelias Schatten begehrte ein Mann jetzt sie! In seinen Armen fühlte sich Becca nicht nur wie eine ganz normale Frau, sondern sie kam sich plötzlich auch begehrenswert vor. Sie spürte sein Begehren. Und sein Verlangen entfachte ihr eigenes so stark, dass sie nicht mehr klar denken konnte.
Er wanderte mit der Hand über ihren Rücken, umfasste ihr Gesäß und presste sie an sich, während er sie mit der anderen Hand abstützte. Sie brauchte diesen Halt dringend, da ihr Körper ganz weich geworden zu sein schien und sie vor Sehnsucht bebte. Mit den Händen strich sie über seine Schultern und spürte seine starken Muskeln unter den Fingern.
Seinen Körper. Seine Kraft. Sein Verlangen, das ihrem eigenen entsprach.
Ein Ruf erklang. Er zeigte den Wechsel der Stunde an. Das brachte sie wieder zur Besinnung. Sie erinnerte sich erneut daran, wer sie war und wo sie sich befand. Sie war nicht die schöne Laelia, sondern die verkrüppelte Rebecca. Und dieser verführerische Mann war gekommen, weil er um die Hand ihrer Schwester anhalten wollte.
Aber weshalb küsste er dann sie? Was wollte er damit beweisen?
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