Verzehrende Sehnsucht
unstatthaft geküsst hatte. Blaidd hätte sich besser unter Kontrolle haben müssen – ungeachtet der Umstände oder der Reize der Lady. Er war kein Jüngling mehr wie Trevelyan, der noch nie körperliche Liebe erfahren hatte und begierig darauf war, sie kennen zu lernen.
"Narr", murmelte Blaidd leise, als er die Kapelle verließ und sich auf den Weg in seine Gemächer machte.
Er erreichte seine Kammer und öffnete vorsichtig die Tür. Sie knarrte glücklicherweise nicht so wie die der Kapelle. Er schlüpfte leise in den behaglichen Raum, in dem zwei Betten standen. Eine heiße Kohlenpfanne stand neben einer Truhe für ihr Gepäck. Auf einem kleinen Tisch befanden sich Wasserkanne und Schüssel zum Waschen. Es gab hier keine Teppiche oder einen Stuhl, auf dem man sich hätte niederlassen können. Aber Blaidd hatte schon an schlechteren Orten geschlafen.
In einem der Betten lag ein Mensch – dem zerwühlten Haar nach zu urteilen, handelte es sich um Trev. Blaidd hoffte, dass der Knabe schon eingeschlafen war, damit er – Blaidd – nicht zu erklären brauchte, woher er gerade kam.
Doch der Knappe schlief noch nicht, sondern setzte sich plötzlich auf. "Wo bist du gewesen? Ich habe schon angefangen, mir Sorgen zu machen."
"Ich habe nach dir gesucht", antwortete Blaidd wahrheitsgemäß.
Trev umschlang die Knie und schaute Blaidd mit großen Augen verwundert an. "Ich bin schon eine ganze Weile hier."
Blaidd setzte sich aufs Bett. Er konnte den Knaben genauso gut jetzt ermahnen und damit das Gespräch in eine andere Richtung lenken. "Und davor hast du die Dienstmagd Meg gesucht."
Trev errötete. "Woher weißt du das?" Er überlegte kurz. "Hast du mir nachspioniert?"
Blaidd hatte keine Lust, sich von einem solchen Grünschnabel Vorwürfe machen zu lassen. "Ich habe beobachtet, wie du dich auf dem Hof nach ihr umgeschaut hast. Und wenn noch andere Menschen da gewesen wären, hätten auch sie es mitbekommen."
"Woher willst du wissen, dass ich nach ihr gesucht habe? Vielleicht war ich ja auch auf der Suche nach dir!"
"Ich habe gesehen, wie sie die Küche verlassen hat, und du bist ihr auf den Fersen gefolgt. Wenn du nach mir gesucht hättest, wärest du sicher nicht so enttäuscht gewesen, niemanden auf dem Hof zu erblicken."
Der Junge starrte auf die Zehen und zuckte mit den Schultern. "In Ordnung. Ich habe nicht nach dir gesucht."
"Sie ist eine Dienstmagd, Trev", sagte Blaidd nicht unfreundlich. "Du bist ein junger Edelmann, der zu Gast im Hause ihres Herrn ist. Sie würde es nicht riskieren wollen, dich zu kränken."
Er bemerkte den ungläubigen Ausdruck in Trevs Augen und bekam Mitleid mit dem Jungen. "Trev. Ich will damit nicht andeuten, dass dies der einzige Grund ist, aus dem sie mit dir gesprochen hat. Es könnte sein, dass sie dich wirklich mag. Aber ihr seid nicht von gleichem Stand. Du verfügst über Macht und Ansehen und sie nicht. Vergiss nicht, wir sind Gäste hier. Du würdest die Gastfreundschaft Lord Throcktons missbrauchen, wenn du mit einer seiner Dienstmägde tändelst."
"Was ist, wenn eine Frau … du weißt … was, wenn sie interessiert ist?"
Blaidd erinnerte sich daran, was ihm sein Vater damals zu diesem Thema gesagt hatte. "Wenn man solche Dinge tut, dann muss man auch Verantwortung übernehmen, vorausgesetzt, der Mann ist ehrenhaft und kein lüsterner Schurke. Was, wenn die Frau schwanger wird?"
"Oh."
"Ja, oh. Hast du genug Geld, um ihr eine hübsche Summe zu geben, damit sie das Kind großziehen kann? Stell dir vor, eines schönen Tages steht ein junger Mann vor deiner Tür und teilt dir mit, er sei dein Sohn. Wärest du bereit, den Bastard anzuerkennen?"
"Daran habe ich überhaupt nicht gedacht."
"Das habe ich schon vermutet."
"Aber mit einer Hure, da wäre es nicht …"
"Du wirst zu keiner Hure gehen, solange du mein Knappe bist. Haben wir uns verstanden?"
Blaidd sprach nur selten im strengen Befehlston, aber wenn er es tat, verfehlte der Ton nicht seine Wirkung. Und das war auch diesmal nicht anders. Trev schluckte und nickte.
Blaidd verspürte ein leichtes Schuldgefühl. Er selbst hatte sich heute Abend auch nicht gerade wie ein ehrenhafter Ritter verhalten. Sein Verhalten könnte Folgen haben, also hielt er es für ratsam, Trevelyan auf eine mögliche Abreise vorzubereiten. "Es kann sein, dass wir morgen hier verschwinden müssen."
Trev blieb der Mund offen stehen. "Warum? Weil ich nach Meg gesucht habe?"
"Nein. Weil ich mich mit Lady Rebecca gestritten habe."
In
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