Verzehrende Sehnsucht
Trevs Augen glitzerte es verdächtig. "Und das nach all deinen Warnungen und Ermahnungen? Und deinem Vortrag über das angemessene Verhalten eines Gastes?"
Blaidd beugte sich vor und zog sich die Stiefel aus. "Ja." Er blickte auf. "Du brauchst gar nicht so schadenfroh zu sein. Ich weiß, dass das dumm von mir war."
Trev betrachtete ihn mitfühlend. "Sie scheint eine sehr streitbare Frau zu sein. Es kommt mir nicht so vor, als würden ihr Vater und ihre Schwester diese Eigenschaft besonders an ihr schätzen. Vielleicht stellen sie sich auf deine Seite." Er grinste. "Besonders Lady Laelia."
Blaidd hatte nicht damit gerechnet, dass die Bemerkungen eines Jünglings ihn trösten würden. Doch dem war so. "Nun, das werden wir morgen herausfinden", erwiderte er und erhob sich, um sich für die Nacht zu entkleiden. "Schlaf jetzt, Trev." Er lächelte schwach. "Es kann sein, dass wir morgen eine lange Reise vor uns haben."
Trev verzog das Gesicht. "Ich hoffe nicht. Ich möchte noch nicht wieder nach Hause. Ich habe fürs Erste genug geübt."
"Ein Ritter kann niemals genügend üben."
"Das sagst du nur, weil dich keiner mehr dazu zwingt", entgegnete der Knabe und zog die Decke bis zum Kinn hoch.
Als Trevs Augen sich schlossen, schwand das Lächeln aus Blaidds Gesicht. Falls sie morgen hier wegmussten – wie sollte er bloß dem König sein Versagen erklären?
4. Kapitel
Becca erwachte am nächsten Morgen in ihrem Schlafgemach, das sie mit Laelia teilte. Ihre Schwester litt offensichtlich an einem Anfall schlechter Laune. Becca hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass es in solchen Situationen am besten war, nicht mit der Schwester zu reden und lieber abzuwarten, bis Laelia geruhte, das Wort an Becca zu richten. Das passte Becca zwar nicht, aber sie schwieg still.
Meg half Laelia gerade beim Ankleiden. Sie zog ihr ein wunderschönes smaragdgrünes Samtkleid an, das mit goldener Spitze verziert war, und legte ihr einen hübschen vergoldeten Gürtel um die schlanken Hüften. Danach setzte sich Laelia auf den Stuhl vor einem Tisch. Auf dem Tisch befanden sich allerlei Dinge: Parfumfläschchen und Salbentiegel, eine Bürste mit Silbergriff und eine kleine Zederndose mit Haarbändern. Die mit Elfenbeinintarsien verzierte Schatulle diente Laelia als Aufbewahrungsort für ihren Schmuck.
Becca hingegen besaß keine Haarschleifen oder anderen Tand. Ihren Schmuck, den sie nur äußerst selten trug, hatte sie am Boden der mit Reliefs verzierten Truhe, die neben Beccas Bett stand, verstaut. Auf Laelias Bett lagen eine dicke Daunendecke und große Kissen, die mit feinem Leinen bezogen waren. Vorhänge aus purpurfarbenem Damast hielten die kalte Nachtluft ab. Beccas Bett war genauso luxuriös ausgestattet. Sie kleidete sich zwar eher schlicht, doch schätzte sie trotzdem die kleinen Annehmlichkeiten des Lebens.
Als Kinder hatte sie mit Laelia das Bett geteilt. Damals hatten sie sich oft flüsternd unterhalten, wenn die Vorhänge geschlossen waren. Diese heimlichen Unterredungen waren oft von viel Gekicher begleitet gewesen. Das alles hatte sich geändert, als Becca vom Baum gefallen war. Laelia hatte nach dem Unfall ein paar Wochen nicht mehr mit Becca im Bett liegen dürfen. Deshalb hatte der Vater ein neues Bett für seine ältere Tochter erstanden.
Becca vermutete, warum Laelia heute Morgen schlechte Laune hatte. Sie war offensichtlich wütend darüber, dass Becca am gestrigen Abend aus der Halle gestürmt war – nun, wenn eine hinkende Frau überhaupt stürmen konnte. Und Laelia missfiel Beccas Empfang von Sir Blaidd am Tor. Laelia hatte schon vor dem Abendessen davon erfahren, und Beccas Wortgefecht mit Sir Blaidd in der großen Halle hatte Laelias Zorn scheinbar noch weiter angestachelt. Glücklicherweise hatte Laelia schon geschlafen, als Becca von der Kapelle zurückgekehrt war. Oder die Schwester hatte es zumindest vorgegeben, um einem Streit aus dem Weg zu gehen. Doch vermutlich hatte das alles Laelias Zorn nur noch geschürt.
Becca war gestern Nacht versucht gewesen, ihre Schwester zu wecken und ihr zu erzählen, dass Sir Blaidd sie – Becca – geküsst hatte. Außerdem hatte sie Laelia warnen wollen, dass der Mann nichts Gutes im Schilde führte. Becca hatte auch erwogen, gleich am Morgen mit ihrem Vater zu sprechen und ihn zu bitten, Sir Blaidd wegzuschicken. Ein Mann, der sich so verhielt, war sicher kein geeigneter Bewerber für Laelia.
Doch als sie es jetzt bei Tageslicht betrachtete und bedachte, wie
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