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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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nächtliches Küssen nicht zu Serdan. Wusste Serdan überhaupt, dass es Sofie gab? Ich war mir da nicht sicher.
    »Wieso denkst du, es könne Serdan gewesen sein?«
    »Weil …« Sofie holte keuchend Luft. Der Weg stieg steil an. Selbst mein Atem wurde knapp, obwohl ich immer noch eine gute Kondition hatte. »Weil er den ganzen Abend Kaugummi gekaut hat. Und ich glaub, ich hab einen Kaugummi gespürt.«
    »Du hast – was? Wie hat er dich denn geküsst?«
    Sofie ging die Puste aus. Schwer seufzend stützte sie sich an einer dürren Birke ab.
    »Nee, kein Zungenkuss. Aber er hatte den Mund ein bisschen offen …«
    »Igitt«, bemerkte ich trocken. Serdan machte beim Küssen den Mund auf? Er redete doch nicht einmal. Sofies berauschtes Dauerlächeln verstärkte sich.
    »Nein, nicht igitt, Luzie. Du hast ja keine Ahnung … Es war echt schön. Irgendwie.«
    Der Pfad verengte sich und wurde so unwegsam, dass wir eine Weile aufhörten, über die vergangene Nacht zu sprechen. Wir brauchten all unsere Aufmerksamkeit, um nicht über Wurzeln und Felsbrocken zu fallen. Allmählich keimte in mir der Verdacht auf, dass Herr Rübsam uns mit aller Gewalt müde machen wollte. Was mich betraf: Hätte er nicht tun müssen. Ich war bereits hundemüde. Und Flaschendrehen würde ich ganz bestimmt nicht mehr spielen. Davon hatte ich genug.
    »Magst du Serdan denn?«, fragte ich, als ich wieder das Gefühl hatte, Silben formen zu können. Es war schwül geworden. Uns beiden lief der Schweiß in dünnen, klebrigen Schlieren über die Wangen. Vor uns kam die Gruppe zum Stehen und auch wir stoppten. Erleichtert zog ich meinen Kapuzenpulli aus und wickelte ihn um die Hüften.
    Sofie antwortete nicht, sondern beobachtete mit glasigem Blick ein Eichhörnchen, das über uns durch die Baumwipfel huschte.
    »Sofie … magst du Serdan?« Sie fuhr leicht zusammen.
    »Weiß nicht.« Verlegen hob sie die Schultern. »Ich meine, ich kenne ihn nicht … Aber du kennst ihn doch, oder?«
    Na ja. Ich verbrachte viel Zeit mit ihm. Es war jedoch schwierig, jemanden kennenzulernen, der nicht redete, selbst wenn man noch so oft zusammen war. Aber in einer Sache war ich mir beinahe sicher: Serdan lief nachts nicht in ein Mädchenzimmer, um wahllos jemanden zu küssen. Doch wie gesagt – ich kannte ihn nicht. Und Jungs machten manchmal völlig sinnlose Sachen. Vielleicht hatten sie nach Herrn Rübsams Auftauchen ja weiter Flaschendrehen gespielt und Serdan musste das tun, weil er Pflicht gewählt hatte.
    Vor uns wurden Stimmen laut – zwei sehr vertraute Stimmen. Herr Rübsam und Frau Dangel.
    »Tja, Peter. Hättest du eben eine Karte mitnehmen sollen!«, keifte Frau Dangel. Ihre dünne Bluse klebte an ihrem Rücken und ihr kunstvoll zusammengesteckter Dutt hatte sich aufgelöst. Herr Rübsam sah kaum besser aus. Nur eben ohne Dutt.
    »Das ist ein Rundweg. Und Rundwege führen irgendwann wieder zurück!«
    »Jahaaa«, höhnte Frau Dangel. »Irgendwann. Genau das ist der Haken an der Sache! Irgendwann. In zwei oder drei Jahren wahrscheinlich …«
    »Elvira, bitte, das ist doch jetzt albern!«, versuchte Herr Rübsam, sie zu beruhigen. Die beiden hatten uns offenbar vollkommen vergessen. Fasziniert hörten wir ihnen zu.
    »Weißt du, was ich albern finde? Einer Klasse wie dieser eine Klassenfahrt zu schenken! Das ist albern!«
    »Das ist nicht albern, das ist Pädagogik!«, brüllte Herr Rübsam. Seine rechte Stirnader schwoll sichtlich an. »Sie haben sich angestrengt und sie haben sich das verdient!«
    »Oh, und das wissen sie auch zu schätzen, nicht wahr, Peter? Haben wir heute Nacht gemerkt …«
    »Das sind Kinder. Die machen so etwas!«
    »Kinder?« Frau Dangels Stimme wurde unangenehm blechern, wie im Französischunterricht. Sie schloss für eine Sekunde die Augen und presste sich die Finger auf die Schläfen. Vermutlich bekam sie die Migräne von ihrem eigenen Gekeife. Selbst mir dröhnte der Kopf. »Das sind keine Kinder, Peter. Das sind Halbstarke und pubertierende Hühner, und wenn du nicht aufpasst, dann liegen sie ruckzuck miteinander im Bett!«
    »Hiiii«, kiekste Sofie und schlagartig bemerkten Herr Rübsam und Frau Dangel, dass sie nicht alleine waren. All die Halbstarken und Hühner standen mucksmäuschenstill hinter ihnen und lauschten gebannt.
    »Elvira, bitte …«, beschwor Herr Rübsam sie gedämpft. Doch Frau Dangel schüttelte hysterisch den Kopf, wobei sich auch die letzte Haarnadel aus dem Dutt befreite.
    »Ich will jetzt aus diesem

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