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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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nachdem er mich aus der Flammenhölle von Papas Leichenkeller gerettet hatte.
    »Leander von Cherubim!!!« Hoppla. Das war Menschisch gewesen. Immer noch verstörend gläsern, aber in Menschensprache. Ich unterdrückte einen erleichterten Seufzer. Die Cherubims konnten allesamt perfekt Menschisch sprechen und ich hegte den Verdacht, dass sie es auch sehr gerne taten, obwohl es unter Wächtern verpönt war. Wir Menschen waren schließlich durchweg mangelhafte Konstrukte mit etlichen Baufehlern.
    »Nathan, um Himmels willen, nicht!«, bohrte sich Clarissas schrille Stimme in meine Schläfen. »Was ist, wenn die anderen Wächter uns hören?«
    »Ach, Clarissa, ich bitte dich. Wir haben ein weitaus schlimmeres Problem zu lösen. Und wenn Leander nicht in unserer Sprache mit uns kommunizieren will, müssen wir eben zu alternativen Mitteln greifen.«
    »Es ist Menschisch!«, zischte Clarissa. »Das darf niemals ein alternatives Mittel sein.«
    Nun, dann fragte ich mich, warum die beiden immer noch in astreinem Hochdeutsch miteinander zankten. Und das nicht zum ersten Mal. Damals in meinem Zimmer hatte die gesamte Familie menschisch geredet.
    »Jedes Mittel ist recht, um Zucht und Ordnung in die Truppe zu bringen!«, plärrte Nathan aufgebracht. »Und dein Sohn …«
    »Es ist auch dein Sohn, vergiss das nicht!«, unterbrach ihn Clarissa mit anklagendem Tremolo.
    »Ich verbitte mir Haarspaltereien!« Nathans Stimme klang, als würde in seiner durchsichtigen Kehle ein Trommelwirbel entfacht. Doch seine Wortwahl erinnerte mich ein bisschen an Papa. Kurz musste ich schmunzeln. »Leander hat die gesamte Truppe blamiert, die Zentrale ignoriert ihn bereits – sie ignoriert ihn, Clarissa, du weißt, was das bedeutet – und jetzt frage ich mich, wo er steckt. Hier ist er nicht, obwohl sie schläft.«
    Damit war wohl ich gemeint. Aber worauf spielte Nathan an – von welcher Blamage sprach er? Womit hatte Leander die Truppe blamiert – etwa indem er bei mir geblieben war? Wenn ja, dann waren seine Eltern spät dran mit ihrem Besuch. Zu spät für eine Organisation wie Sky Patrol.
    »Nathan, uns rennt die Zeit davon«, klagte Clarissa. »Wir müssen zurück zu unseren Klienten. Hier ist er nicht, und – bist du dir denn überhaupt sicher, dass Attila die Wahrheit gesagt hat?«
    Attila – wer war denn das? Den Namen hatte ich noch nie gehört, aber es konnte sich dabei nur um einen Wächter handeln. Kein Menschenkind hieß Attila. Der Trommelwirbel in Nathans Kehle steigerte sich zu einem Grollen.
    »Warum sollte er lügen? Menschen lügen, nicht Sky Patrol.« Es folgte ein angespanntes Schweigen. Wahrscheinlich dachten wir alle drei dasselbe – nämlich dass Leander trotz dieser Behauptung verflucht gut und eifrig log. Und nun hatte er darüber hinaus etwas Fürchterliches angestellt – aber was nur?
    »Attila hat ihn gesehen. Vom Fenster aus«, fuhr Nathan nach einer kleinen Pause geschraubt fort. »Er lässt Sofie Münster inzwischen ab und an eine halbe Stunde unbeaufsichtigt. Er kam gerade von einem – Treffen zurück.«
    Sofie Münster – das war meine Sofie. Attila war also Sofies Körperwächter! Ich hielt unwillkürlich die Luft an. Mit dem Treffen spielte Nathan sicherlich auf das an, was Leander mir erzählt hatte. Dass Körperwächter Klassenfahrten liebten, weil sie dann zusammen draußen herumschwirren konnten. Clarissa stöhnte dramatisch auf, was sich bei ihr anhörte, als würde man auf spitzen Scherben herumtrampeln, die auf einer Metallplatte liegen.
    »Ja, Clarissa. Attila hat es gesehen und es gibt keinen Zweifel. Unser Leander hat ein Menschenmädchen geküsst und sie hat …« Nathan schluckte vernehmlich. »Sie hat es gemerkt. Es hat ihr gefallen. Sie hat gelächelt! Sie lag die restliche Nacht wach, und Clarissa, du weißt, wie gefährlich Schlaflosigkeit werden kann!«
    Ich erstarrte. Moment … Der Kuss. Sofies Geschichte von dem Kuss. Mein Gesicht begann zu pochen und wurde so heiß, dass ich am liebsten Decke und Kissen von mir geschleudert hätte. Leander hatte Sofie geküsst, nicht Serdan oder sonst wer! Es war Leander gewesen – mit Pfefferminzbonbon im Mund, das Sofie als Kaugummi interpretiert hatte. Sofie und mich trennte nur eine dünne Wand. Wenn er in ihrem Zimmer war, dann hatte er …
    »Dann hat er also noch einen Körper«, vollendete seine Mutter meinen Gedanken. Clarissas Stimme bibberte und bebte, als würde sie gleich einen Nervenzusammenbruch erleiden.
    »Diese Vermutung liegt

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