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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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ihr, zwei Jahre! Und Seppo hängt nur mit dieser Dumpfbacke namens Kelly zusammen und meint, mir Befehle erteilen zu können, weil Herr Rübsam die beknackte Idee hatte, ihn als Betreuer mitzunehmen! Hier ist niemand so wie ich!«
    »Wirklich eine beknackte Idee, das mit Seppo«, pflichtete ich ihr bei und unterdrückte ein neuerliches Gähnen. »Aber …«
    »Nix aber. Ich hab keinen Bock, mir Ritterkostüme zu nähen und durch den Wald zu rennen und mir euer Teeniegesülze anzuhören, während Tom in Ludwigshafen … ach, egal, alles Scheiße«, fluchte sie und warf sich mit ihrem Hintern auf den Koffer, um seine Schnallen schließen zu können. Tom. Das war ihr Freund. »Ich will hier weg. Ich halt das nicht mehr aus. Das ist nicht meine Welt, verstehst du?«
    Ja, ich verstand sie sogar sehr gut. Meine war es auch nicht, was zwar an Leander lag und nicht an Altersunterschieden, aber ich verstand Elena. Beinahe hätte ich sie gefragt, ob sie mich mitnehme. Doch dann ging alles ganz schnell. Herr Rübsam klopfte und rief durch die geschlossene Tür, dass Elenas Mutter angekommen sei, und Elena setzte eine Leidensmiene auf, als würde sie von grausamen Schmerzen gequält. Sie warf mir einen letzten Blick zu.
    »Tschüss, Luzie.«
    »Tschüss, Elena. Gute Besserung«, feixte ich. Zu meinem Erstaunen grinste sie kurz, bevor ihre Miene wieder erschlaffte und sie sich zu Herrn Rübsam nach draußen schob, wo sie irgendwas von unerträglichen Rücken-, Bauch- und Kopfschmerzen murmelte und dass das bei ihr immer alles so schrecklich sei, wenn sie … Die Stimmen verhallten. Aha. Elena gab vor, Duweißtschonwas zu haben. Sie kannte wirklich keine Skrupel. Bestimmt war Herr Rübsam heilfroh, wenn sie endlich im Auto saß und er nicht länger ihre Frauengeschichten anhören musste.
    Aufatmend ließ ich mich auf die quietschende Matratze fallen. Oh, war das schön. Ich war allein. Ganz allein. Das war ich schon so lange nicht mehr gewesen. Nach einer kleinen Weile stand ich noch einmal auf, öffnete das Fenster, trank einen Schluck Wasser und krabbelte zurück aufs Bett. Kühle Luft strömte herein und streichelte meine erhitzten Wangen.
    Nun konnte Leander unten schlafen und musste sich nicht mehr nachts neben mich legen und mich anstarren. Wo war er überhaupt? Ach, egal. Hauptsache, allein. Hauptsache, schlafen.
    Und wenn ich aufwachte, würde ich mich wie ein neuer Mensch fühlen.

Ab in den Kongo!
    Ich fühlte mich zwar wieder wie ein Mensch, als ich aufwachte – jedoch nicht wie ein neuer. Und ich fühlte mich nur deshalb wie ein Mensch, weil die gläsern-schrillen Missklänge, die plötzlich durch das Zimmer jagten und meine Ohren zum Klirren und Pfeifen brachten, definitiv nicht menschlich waren. Ansonsten ging es mir noch genauso beschissen wie vorher. Mit dem Unterschied, dass ich zwar nach wie vor erschöpft, aber auf beinahe schmerzhafte Weise hellwach war.
    Ich konnte das hohle Sirren, das wie ein Tornado durch das kleine Zimmer wirbelte und mich binnen Sekundenbruchteilen aus dem Schlaf gerissen hatte, sofort zuordnen. Nathan und Clarissa von Cherubim. Leanders Eltern. Oder genauer: seine Truppenführer.
    Nathan, das war das mächtige, gesetztere, aber dennoch unverkennbar hektische Tönen. Zu Clarissa gehörte jenes gellende, schnatternde Girren, das sich ab und zu in einem schrägen Schlussakkord entlud. Sie diskutierten oder stritten. Sie waren aufgeregt, aber da sie sich nicht in der Menschensprache unterhielten, konnte ich nichts verstehen. Sicher war ich mir allerdings, dass es um Leander ging. Es musste um Leander gehen. Doch der war nicht hier.
    Ich biss – gut versteckt unter einem Deckenzipfel – in meinen Unterarm, um nicht aufzuschreien, weil all die verzerrten Klangbilder brutal an meinem Trommelfell rüttelten. Es war wirklich kein Wunder, dass Hunde in Panik gerieten und wie verrückt bellten, wenn ein Wächter in ihrer Nähe Alarm schlug. Ich hätte auch gerne gewinselt und gebellt. Aber die Cherubims durften auf keinen Fall merken, dass ich sie wahrnahm. Ich musste durchhalten und darauf hoffen, dass sie bald wieder verschwanden. Denn eigentlich mussten sie bei ihren Klienten sein. Sie switchten nur an andere Orte, wenn etwas ungeheuer Wichtiges vorlag. Oder wenn sie einen neuerlichen Versuch unternehmen wollten, ihren Sohn zurückzuholen? Immerhin war er seit Wochen bei mir, ohne dass es dazu irgendeine offizielle Erlaubnis oder gar Order gegeben hatte. Er hatte das einfach so entschieden,

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