Veyron Swift und das Juwel des Feuers
Pathologie aufhielten. Die ganze Abteilung hätte dringend eine Sanierung nötig. Das Halbdunkel der Räume verlieh der ganzen Situation zusätzliche Spannung. Tom erwartete fast, dass aus irgendeiner Ecke ein Zombie hervorsprang und sie angriff.
Sie kamen ins Labor, einem tristen, rechteckigen Raum mit weißen Wänden, wo mittendrin ein einzelner Tisch stand. Obwohl die Leiche zugedeckt war, stellte Tom fest, dass sie keinen Kopf mehr besaß. Der stand auf einem Beistelltisch daneben; zum Glück ebenfalls abgedeckt, aber die Form unter dem weißen Leichentuch war unverkennbar. Tom konnte sogar genau erkennen, wo sich die Nase befand. Er bekam augenblicklich eine Gänsehaut, seine Aufregung schlug in Furcht um. Jane blieb an der Tür, während Strangley und Veyron hinein gingen. Tom zögerte einen Moment. Er blickte zu Jane. Sie schüttelte den Kopf, wollte nicht, dass er sich das antat. Andererseits war dieses Spiel mit Neugier und Furcht unfassbar aufregend und reizvoll. Er konnte einfach nicht widerstehen. Er musste da hinein und sich das Ganze ansehen – selbst wenn er sich danach sehr wahrscheinlich übergeben würde. Er schlüpfte an Jane vorbei und blieb in sicherer Entfernung zur Leiche stehen.
Strangley schlug das weiße Laken zurück und Veyron bückte sich und betrachtete den blutverschmierten Halsstumpf. Tom wurde schlagartig schlecht. Er musste sich wegdrehen, damit sein Mageninhalt nicht weiter nach oben stieg.
Veyron hatte dagegen nur Augen für die Leiche, hüpfte ganz aufgeregt um sie herum und untersuchte alle möglichen Stellen ihres Körpers.
»Personalien«, verlangte er so gefühlskalt wie ein Roboter.
»Sarah Burrows, Studentin in Oxford. Sie hat für einen Professor Lewis Daring gearbeitet, der dort Geschichte, Vorgeschichte, Kunst und Germanistik unterrichtete. Daring ist inzwischen im Ruhestand, aber Burrows arbeitete nebenberuflich als seine Sekretärin«, klärte Jane die Anwesenden auf.
Veyron fischte sein Smartphone aus der Manteltasche und schoss eine Vielzahl von Fotos. Das Gleiche wiederholte er bei dem abgerissenen Kopf. Tom kniff die Augen zu, um nicht weiter hinzuschauen. Veyron zoomte die Fotos soweit heran, bis er jedes noch so kleine Detail genauestes erkennen konnte. Wie eine Salzsäule stand er inmitten des Labors, starrte auf die Fotos, blätterte vor und zurück und wieder in die Gegenrichtung. Er fing an hastig auf und ab zu gehen und murmelte leise vor sich her. Immer wieder blieb er stehen, um sich das eine oder andere Foto genauer anzusehen.
»Ohne jeden Zweifel: Wir haben einen Fall!« rief er nach einer Weile begeistert aus. Strangley deckte die Leiche wieder ab, ganz zu Toms Erleichterung.
»Okay. Lass hören, Veyron«, bat Strangley neugierig. Veyron Swift gestattete sich ein kurzes Lächeln, dann schloss er die Augen, legte die Fingerspitzen aneinander und begann zu erklären.
»Fürs Erste liegst du richtig, Bert. Das Opfer wurde enthauptet. Aber nicht mit einem Schwert, einer Axt oder eine Säge. Der Kopf wurde abgebissen. Ich weiß, ich weiß, es sind keine Bissspuren zu sehen; zumindest keine herkömmlichen. Betrachte das aufgerissene Fleisch im Nackenbereich und die zerquetschten Wirbel. Die Krafteinwirkung erfolgte von zwei Seiten gleichzeitig. Sämtliche Halswirbel bis hinauf zum Hinterkopf fehlen. Der Schädelknochen ist zertrümmert. Es war nur ein einziger Biss, wie von einer gewaltigen, gewellten und mit Zähnen versehenen Schere. Man kann die Abdrücke gut an den übrigen Wirbelknochen und an den Furchen im Fleisch erkennen. Warum also ein Biss und kein Werkzeug? Sieh dir die Zahnabdrücke an. Sie sind ungleichmäßig und unterschiedlich groß. Ein Werkzeug besäße vollkommen parallele Zähne, aber ein natürlich gewachsener Beißapparat nicht. Ganz klar: Das ist das Werk einer Bestie. Die Tat erfolgte von hinten, mit einer Schrägung fünfundvierzig Grad zur Brust hin. Demnach muss der Täter von oben zugeschlagen haben und das mit einer Kraft, die kein Mensch der Welt – nicht einmal ein Vampir – aufbringen könnte.«
Tom wurde ein wenig rot im Gesicht. Jetzt fühlte er sich noch mehr veralbert. Veyron machte diese spitze Bemerkung sicher nur, um ihn zu ärgern! Swift wandte sich blitzartig an Jane.
»Ich brauche alle wichtigen Informationen vom Tatort. Sofort«, forderte er sie ungeduldig auf.
»221e Webster Gardens, West Ealing. Zweispurige Straße, Bürgersteige links und rechts neben den Parkstreifen, alle paar Meter
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