Vic Daniel 1 - Down in the Valley
den Aschenbecher auszuleeren.«
»Naja«, sagte ich, »so geht’s ja auch nicht.«
»Er hat den Aschenbecher nicht ausgeleert, und es befanden sich zwei Kippen drin.« Er bedachte mich mit einem breiten Lächeln. Oder doch zumindest mit einem Lächeln, das so breit war wie nur irgend möglich, wenn man einen Mund von der Größe eines Wo-heraus-eine-Schlange-A-A-macht hat. »Wissen Sie, was in den Kippen war?«
»Ich komm nicht drauf«, sagte ich. »Gras?«
»Gras mit kleinen weißen Flecken«, sagte er.
»Ich kann mir denken, was das für kleine weiße Flecken waren«, sagte ich.
»Des Polizisten Los ist kein leichtes«, stimmte er an.
»Sehen Sie mal«, sagte ich. »Ich will ja nicht fühllos erscheinen, aber ich habe selbst auch ein paar Probleme, und deshalb könnten wir vielleicht mal aufbrechen, falls wir das überhaupt vorhaben.«
»Wir haben es nicht vor«, sagte er. »Ich habe alles erfunden.«
Ich gaffte ihn mit klaffendem Munde an. »Alles? Den Elbow Room, die sechs Albaner?«
»Nein, nur die Identitäten«, sagte er. »Niemand kann sechs albanische Joghurtmacher erfinden. Die beiden Verhafteten waren Schwarze.«
»Warum? Warum die Mühe?«
»Der Generationskonflikt; ja, da liegt’s. Wenn man mit Molotow-Cocktails um sich wirft, dann mag das ja bei Rassenkrawallen und Politkram gut und schön sein, aber es ist nicht mehr up to date, falls Sie verstehen, was ich meine, es hat sowas Altmodisches an sich, fast etwas Unschuldiges.«
»Wie das Valentinstag-Massaker«, sagte ich. »Altmodisch, unschuldig. Aus längst vergangenen Zeiten wie Knöpfstiefeletten und herzförmige Pralinenschachteln.«
»Genau.« Er seufzte tief, als sehne er sich nach einer besseren, freundlicheren Welt. »Also mutmaßte ich, daß es doch nicht die jüngere Generation war, die ein Freudenfeuer aus Ihrem Büro gemacht hat, und daraufhin fragte ich mich, wer es stattdessen gewesen ist, woraufhin ich zu denken begann, es könnte möglicherweise etwas mit etwas zu tun haben, mit dem Sie in jüngster Zeit befaßt waren und daß ich möglicherweise herausfinden könnte, worum es sich da handelt. All das natürlich nur, wenn Sie angesichts der Identifizierung des jungen Mannes Nerven gezeigt hätten.«
»Glücklicherweise bin ich ein wahrheitsliebender und wahrhaft hilfsbereiter Bürger«, sagte ich.
»Ja«, sagte er. Er sah auf eine Armbanduhr von der Größe eines Damen-Diskus und stand auf. »Nun, ich kann nicht den ganzen Tag hier herumsitzen und mit Ihnen schwatzen, so angenehm es auch war, denn ich habe — würden Sie das für möglich halten? — noch ein Feuer, um das ich mich kümmern muß. Ein Schuhgeschäft in der Cranston Avenue, und dessen Anblick gefällt mir auch ganz und gar nicht. Ein Nachbar hat in der Nacht vor dem Brand rege Betriebsamkeit beobachtet. Ware kam herein, Ware ging hinaus.«
»Teure Kollektionen gingen hinaus, Schund kam herein.«
»Und eine kleine Aufmerksamkeit für den Inspektor von der Versicherung, falls er sich überhaupt die Mühe macht, genauer hinzusehen. Tja.« Er ging zur Tür. »NDTE. Wissen Sie, was das heißt?«
»Nein.«
»Na, dann tschüs einstweilen.«
Schließlich ging er, dem Himmel sei Dank; er war nicht nur klein, er war auch verrückt, fand ich allmählich. Ich nahm eine von Bennys Pillen und ein paar Aspirin und meine tägliche Dosis Antibiotika, obwohl ich immer eine Tablette vor den Mahlzeiten nehmen sollte, und bald hatte ich mir überlegt, daß ich sogar ein Bad nehmen konnte, wenn ich die Beine über den Badewannenrand baumeln ließ, weshalb ich mir noch einen schwachen Brandy mit Ginger herstellte und es einfach mal versuchte. Als ich erstmal drin war, fühlte es sich ganz prima an, wie der Bischof zur Schauspielerin oder dem Chorknaben sagte. Dampf stieg auf; ich duselte vor mich hin. Das Telefon klingelte, während ich weichte; ich ließ es klingeln; es war mir egal.
»Meine Schlösser sind aus Luft, und bald sind sie zu Rauch verpufft«, pflegte mein Vater zu sagen, wenn er Rauchringe blies, um seine Söhne zu amüsieren. Er starb, als ich sechzehn und Tony vierzehn war; ich frage mich, was er sagen würde, wenn er uns heute sähe. Wahrscheinlich dasselbe.
Vierzehntes Kapitel
Am nächsten Morgen fuhr ich mit dem Lieferwagen zur Arbeit. Mein Kater fuhr mit. Ich mag Kater — zumindest die milden. Sie verlagern den Kopf leicht seitlich in eine etwas törichte Ist-doch-mir-so-wurscht-Grundstellung, in der Illogismen streunen und witzige Redensarten
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