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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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danach keine Rache geschworen und mich nicht bei der Kabale angeschwärzt. Quadra Altmanns Gehirn wäre nicht zerstört worden, und Soforttod hätte mir nicht die Blutfehde erklärt. Und auch der arme Armitrage wäre noch am Leben. Mit finsterer Miene verspeiste ich die Reste meiner Grütze und warf immer wieder bitterböse Blicke auf Armbruster. Ich hatte große Lust, es nach allen Regeln der Kunst durchzuprügeln; aber es war mein alter Lehrmeister und der letzte und älteste Freund meines alten Herrn. Ich unterdrückte den Impuls zur Gewaltanwendung. Als die letzte Auswirkung der Stimulantien vergangen war, war mein Herz bereit, dem Neutrum zu vergeben. Immerhin hatte es uns freundlich aufgenommen und wollte uns in keinerlei Hinsicht Schaden zufügen.
    Die Nachricht von Angelhechts Anwesenheit hatte den armen Professor ganz aus dem Häuschen gebracht. Es saß da mit dem Kopf in den Händen und stöhnte von Zeit zu Zeit. Moses Moses nahm sich noch etwas von dem Fisch. Ich war mit meinem Mahl fertig und baute jetzt Armbrusters alten Bildschirm auf.
    »Hier, Professor, ich möchte dir mal etwas zeigen«, sagte ich.
    Den Rest des Tages verbrachten wir damit, uns meine Bänder anzusehen und die wenig erfreulichen Hintergründe zu erklären. Alle lachten an der Stelle, wo Angelhecht ins Wasser fiel, und jeder von uns ließ beim Anblick von Armitrages Tod seinen Tränen freien Lauf. Es war der letzte Auftritt meines Freundes und unzweifelhaft der beste seiner Karriere. Mein Bewußtsein stieg in luftige Höhen, als ich die Qualität der Aufnahmen bemerkte. Bessere hatte ich nie gemacht.
    Es tat mir gut, wieder mit Filmen zu arbeiten. Irgendwie bestärkte es doch mein Ego. Leider war Armbrusters Equipment so veraltet, daß ich davor zurückschreckte, damit Schneide- und Kopierarbeiten durchzuführen. Ich hatte mehr als genug Band übrig - Metallband, das sicher noch für sechs Monate ausreichte - und brauchte deshalb einstweilen nichts zu löschen oder zu überspielen. Allerdings verbrachte ich etliche zufriedene Stunden damit, meine Kameras zu reinigen und einzuölen.
    Nach dem Sonnenuntergang fielen wir bald in Schlaf; immerhin waren wir vorher achtzehn erschöpfende Stunden lang wach gewesen. Zwei Stunden nach Mitternacht schlug ich die Augen wieder auf. Ich nahm etwas Smuff, und als ich aufstand, um Wasser zu lassen, bemerkte ich, daß Armbruster und der Gründer nicht mehr da waren.
    »Anna«, rief ich. Sie warf die dünne Membrandecke beiseite und setzte sich aufrecht hin. »Was ist denn los?« gähnte sie.
    »Sie sind weg«, sagte ich und wedelte mit der Hand in Richtung auf Armbrusters leere Hängematte. Der Professor hatte einige der phosphoreszierenden Birnen gelöscht, bevor wir uns hingelegt hatten, und jetzt waren in unserer kleinen Zelle eigentümliche, vielfältige Schatten festzustellen. Meine Kameras erwachten zum Leben, als ich die Kontrollen in meiner Jacke betätigte. Ich zog das Stück über und schloß den Reißverschluß. Die Salzkruste hatte ich lange vor dem Schlafengehen abgewaschen.
    »Ja«, sagte Anna schläfrig, »ich habe gesehen, wie sie vor einer Weile durch ein Loch im Boden gekrochen sind. Dabei haben sie mich aufgeweckt. Hast du den Wind denn nicht gespürt?«
    Ich schüttelte den Kopf. Verwundet schlief ich immer sehr tief. Mein Körper wußte, was er brauchte. Der Heilungsprozeß ging zügig voran, was ich vor allem den Milben zu verdanken hatte, die sich tapfer durch Sonnenbrand und langen Aufenthalt im Wasser geschlagen hatten. Die Wunden, die ich hatte nähen müssen, waren von einer klebrigen Schicht geschlossen, und die großen Flecken der regenbogenartig gefärbten Quetschungen wurden zunehmend blasser.
    Ich sah auf den Boden und entdeckte den dünnen Reißverschluß im verstärkten Material. Darunter verbarg sich eine weitere Schleuse, in der es vom Meereswasser immer noch feucht war. Das Ventilatorloch im Boden hatte der Professor erst vor kurzem geschnitten, nachdem die fliegende Insel aus dem Ozean gestiegen war. Die Luftschleuse hingegen war Armbrusters Einstieg in den Ballon gewesen, während der sich noch unter Wasser befunden hatte. Ich öffnete beide Enden der Luftschleuse, und ein heftiger Windstoß fegte durch die Zelle. Rasch stellte ich den Ventilator ab, doch vorher wurde eine ganze Wolke von trockenen Fischschuppen, Seetangresten und Fragmenten der Struktur aus Draht und Perlen nach draußen geweht.
    Ich legte mich flach hin und sah durch das Loch im lose hin- und

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