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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Minimum an Risiko durchzuführen. Nun denn, wir beginnen bei Sonnenaufgang. Wenn es zu heiß wird, legen wir uns schlafen und setzen die Arbeit am frühen Abend fort.«
    »Uns steht nicht viel Zeit zur Verfügung«, ergänzte Moses. »Sobald das Zellmaterial in der Sonne austrocknet und runzlig wird, verliert sie an Masse und zeigt sich brüchig. Und gemäß den Berechnungen des Professors schwebt der Ballon in vier Tagen über dem Kontinent.«
    »Ganz richtig«, sagte das Neutrum. »Und wir müssen die Flugzelle von der Insel losgeschnitten haben, bevor die Phönixe kommen und sie angreifen. Es besteht einige Aussicht, daß die Tiere ein Ziel, das so klein ist wie eine einzelne Zelle, ignorieren, und es ist auch nicht ausgeschlossen, daß es an diesem Teil der Masse überhaupt keine Phönixe gibt. Aber wir dürfen uns nicht darauf verlassen.«
    »Was sind denn Phönixe?« fragte Anna.
    »Im Grunde nichts weiter als kleine Vögel, etwa von der Größe der Sandpfeifer. Es sind sehr hübsche und farbenprächtige Tiere. Ihr Gefieder ist zinnoberrot und orangefarben. Man weiß nicht sehr viel über sie. Ich hatte auf dieser Reise vor, einige davon zu Forschungszwecken zu fangen. Jeder Vogel trägt eine Anzahl winziger Eier in seinem Körper. Diese Eier sind erst ausgereift, wenn das Elterntier in großer Hitze verkohlt. In diesen warmen Überresten brüten die Eier aus. Phönixe fliegen sehr schnell und haben einen spitzen Schnabel. Sie stürzen sich auf fliegende Inseln, pressen kurz vor dem Ziel die Flügel zusammen und stoßen wie ein Pfeil durch das Zellmaterial. Das allein kann schon zu einer Explosion führen, doch ich vermute, daß sie über eine weitere Methode verfügen, eine
    Flamme zu erzeugen. Vielleicht reiben sie die mit besonders rauhen Schuppen versehenen Beine aneinander, und dabei entsteht dann ein Funke. In den nächsten Tagen bekommen wir sicher auch eine Menge anderer Vogelarten zu sehen. Ich glaube, ich habe schon einige Nachtmilane gesehen, die ihre Kreise um die Insel zogen; ihre Silhouetten zeichneten sich vor den Sternen ab. Morgen früh tauchen wahrscheinlich größere Mengen von Seevögeln auf, die die Last nach Krabben, Aas und Insekten absuchen. Viele von ihnen tragen sicher die Samenkörner bestimmter symbiotischer Pflanzen mit sich, die sie dann im Schlamm vergraben. Ja, es ist ein sehr komplexes System, und wir werden einige erstaunliche Dinge erleben.«
    Und damit war es vorbei. Aus irgendeinem Grund konnten Anna und ich uns nicht dazu bewegen, die beiden direkt auf ihr sonderbares Verhalten anzusprechen. Vielleicht hatten wir eine unterschwellige Angst, dabei etwas noch viel Schlimmeres zu erfahren. Im Morgengrauen standen wir auf der Spitze des Ballons, waren bis an die Zähne mit Messern und Harpunen bewaffnet und zitterten in der eisigen Morgenluft.
    Armbruster marschierte um eine besonders große Zelle herum. »Die hier sieht ganz brauchbar aus«, sagte er. »Ich kann natürlich keine Garantie abgeben, daß die Landung mit ihr ein Kinderspiel wird, aber sie sollte den Sturz von uns dreien doch erheblich abbremsen.«
    »Von uns dreien?« sagte Anna. Sie rieb sich die Ellbogen und fröstelte. Ihr hübsches, breitwangiges und sommersprossenbesetztes Gesicht sah an diesem Morgen furchtbar aus. Überall schälte sich die Haut, hingen dünne, gräuliche und rissige Fetzen herab.
    »Ja«, sagte Armbruster, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. »Ich denke, der Gründer sollte den Fallschirm bekommen, meint ihr nicht?« Anna nickte sofort; sie schien ihre Selbstaufgabe bis zum Masochismus treiben zu wollen. Auch ich war bereit zu dieser Regelung.
    »Wollen wir damit beginnen, dieses selbstleuchtende Gel abzuschaben«, schlug Armbruster vor. »Es scheint sowohl Hitze als auch Licht zu erzeugen und hat wahrscheinlich auch etwas mit der Detonation zu tun.«
    Anna, der Professor und ich knieten uns hin und fingen an, mit dem stumpfen Rücken der Klingen die gelbgrüne Kruste zu entfernen. Wir rümpften mehr als einmal die Nase wegen des scharfen, chemikalischen Geruchs, der der Leuchtpaste entströmte. Moses sammelte sie in einem großen Stück Zellgewebe ein, ging damit zum Ballonrand und warf es in den zweitausend Meter unter uns liegenden, wolkenverhangenen Ozean.
    Wir benäßten das Material aus einem Fischblasenbeutel mit etwas von unserem kostbaren Süßwasservorrat. »Ich hoffe, das nützt«, sagte der Professor. »Gut, dann wollen wir jetzt die Halteseile anbringen.«
    Die

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