Video-Kid
Fertigstellung meiner Arbeit unterstützt«, sagte es, »und Moses braucht jemanden, der ihm hilft. Es liegt also nur eine Lösung auf der Hand. Indem wir unsere Leben austauschen, können wir uns gegenseitig neue Kraft spenden.«
»Das habt ihr wirklich vor?« fragte Anna. »Eure Leben austauschen?«
»Das müssen wir«, sagte Moses. »Ich kann nicht mehr so wie bisher weitermachen, wo der Wahnsinn täglich mehr an mir nagt. Armbrusters Arbeit ist ungeheuer wichtig. Ich könnte mich ihr voll und ganz widmen.«
»Und ich habe die besten Jahre meines Lebens damit verbracht«, sagte das Neutrum bitter. »Erst jetzt weiß ich, wem und was ich mein Leben gewidmet habe, begleitet von andauernden Verhöhnungen durch irgendwelche Scharlatane. Ich habe der Akademie vertraut. Ich habe ihr vertraut und ihr Desinteresse an der Suche nach der Wahrheit nicht erkannt. Ich war wirklich felsenfest davon überzeugt, die Akademie würde ebenso emsig nach der Wahrheit streben wie ich. Ich glaubte, sie würde sich über meine Entdeckung ebenso freuen wie ich. Aber man ist lieber politischen Rücksichten gefolgt und hat mich belogen und betrogen. Die Ankunft Angelhechts auf Träumerei hat mir endlich die Augen ihrer wahren Motive geöffnet. Ich kann nicht zulassen, daß er heute wieder all meine Hoffnungen ruiniert, wie er es schon vor fünfzig Jahren getan hat. Und da er die Kabale auf seine Seite gezogen hat, ist sie nun genauso mein Feind wie Moses'. Die Pest soll Angelhecht erwischen! Ich werde ihn bis zum letzten Blutstropfen bekämpfen!« Es ballte seine schmalen, schwimmhautbesetzten Fäuste.
»Halt, so rasch geht es nun auch wieder nicht!« rief ich. »Das ist ja wirklich lachhaft! Wenn ihr euch nur selber hören könntet! Moses, wie willst du Armbrusters Werk fortführen, wo du nie eine wissenschaftliche Ausbildung genossen hast!« Ich war außer mir und schüttelte den Kopf, aber meine Haare wollten sich nicht aufstellen. Aus irgendeinem albernen Grund ärgerte mich das noch mehr als das Wahnvorhaben der beiden alten Männer. »Du kannst doch noch nicht einmal ein Mikroskop von einem Mikrometer unterscheiden, ganz zu schweigen von positiver und negativer Ladung!
Und was dich angeht, Armbruster - Tod und Leben, ich habe noch nie einen größeren Schwachsinn gehört! Du und in die Politik gehen?« Meine erregte Stimme näherte sich einem Kreischen. »Was glaubst du denn, was du dort ausrichten kannst? Was meinst du denn, was passiert, wenn wir Telset erreichen? Glaubst du, die ganze Stadt läuft zusammen und jubelt: ›Hurra, es ist zwar nicht Moses Moses, aber doch der nächstbeste!‹« Ich packte ihn an seinem muskulösen Arm. »Professor, du bist doch politisch gesehen eine komplette Null! Seit sieben Jahren hat dich kein Mensch mehr gesehen, und an den Gestalt-Disput erinnert sich heute keiner mehr! Glaubst du denn im Ernst, die Kabale würde über ein Drahtgebilde mit hübschen bunten Perlen stolpern? Ohne das Prestige Moses Moses' haben wir nicht die geringste Chance. Er ist der einzige, der die Massen an sich ziehen kann! Großer Gott, ich verstehe selbst nicht allzuviel von Politik, aber daß dein Vorhaben ohne die geringsten Erfolgsaussichten dasteht, kann dir bei uns in Telset jedes kleine Kind sagen! Eigentlich hättest du von allein darauf kommen müssen, ohne daß ich es dir erklären muß!« Ich wurde wieder leiser. »Komm, Professor, jetzt wollen wir wieder vernünftig sein. Laß jetzt bitte deine Witze. Es ist sicher nicht schwer, Anna und mich an der Nase herumzuführen, denn wir sind ja noch jung und unerfahren. Aber hier und jetzt geht es um unser Leben, und wir haben Angst. Also erzähl uns solche Dinge nicht noch mal, auch nicht im Spaß.«
»Ich wußte doch von Anfang an, daß da etwas nicht stimmt«, erklärte Anna böse und sah die beiden aus ihren schmalen, geschwollenen Augen an. »Jetzt wollen wir mal wieder nüchtern werden. Ihr beide könnt eure Verantwortung nicht einfach so abstreifen. Das kann keiner von uns. Niemals. Gründer, das hier ist deine Gesellschaft, deren Zukunft an einem seidenen Faden hängt. Du kannst es drehen und wenden, wie du willst, deine moralische Verantwortung bleibt, daran gibt es nichts zu rütteln. Du kannst dich nicht einfach verstecken und diesen ... dieses Wesen an deiner Stelle losschicken, während du uns persönlich in den sicheren Tod führst. Hast du die Kerle denn nicht gesehen, die uns nach dem Leben trachteten? Welche Chance sollten wir gegen diese Front
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