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Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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erhielt dann die befriedigende Aussicht auf unsere Zelle, die sich gemächlich von der Insel löste. Nur noch wenige Membranhautfetzen - und natürlich unsere vier Seile - hielten sie.
    Ich befreite meine Kameras, tänzelte vorsichtig und gewandt, um nicht wieder in eine Falle zu geraten, und schaffte es endlich, aus dem tiefen, gasentleerten Loch zu steigen. Wir hörten überall um uns quietschendes Geschiebe und Ploppen, als die Zellen sich unter unseren Füßen neu ordneten und umgruppierten. Anna und Moses riß es dabei von den Beinen.
    Armbruster schnitt sich durch einen dünnen, flappenden Hautlappen und kletterte aus seinem Loch, um sich zu uns zu gesellen. »Alles prima«, sagte es. »Für den Augenblick lassen wir die restliche Haut dran. Wenn wir die nämlich auch noch abschneiden, dreht sich unsere Zelle von oben nach unten, weil wir die Seile an ihrer Spitze befestigt haben. Die restlichen Hautfetzen mindern auch die Spannung. Ich möchte unsere Klebeverbindungen nicht zu sehr belasten. Es ist kaum wahrscheinlich, daß die Zelle sich ganz losreißt, aber sie könnte durch die Zerrkräfte zuviel Wasserstoff verlieren.«
    »Mir kam es so vor«, sagte Anna, »als hätte ich am Grund des Lochs etwas davongleiten sehen.«
    Moses nickte. »Ach ja, das waren sicher Zellschnecken. Sie leben in den Zwischenräumen der Zellen und ernähren sich vom austretenden Saft. Nicht wahr, Professor?«
    Armbruster nickte kurz.
    »Ich wünschte, wir hätten ein paar Exemplare eingefangen«, sagte der Gründer. Ich sah ihn scharf an. Jetzt reichte es endgültig. Silbe für Silbe hatte Moses genauso wie Armbruster gesprochen. Das Neutrum mußte diese Nachäfferei bemerkt haben, sagte aber nichts dazu.
    »Na, dann wäre das ja erledigt«, meinte der Professor fröhlich. »Ging ja glatter ab, als ich erwartet hätte.«
    Es ploppte in meinen Ohren. »He, wir verlieren an Höhe.«
    »Kehren wir also zu unserem alten Plan zurück«, sagte Armbruster. »Wir müssen hinunter zur Last. Von dort können wir am besten feststellen, wie rasch wir sinken, und gegebenenfalls Kabel und Stränge durchtrennen. Hoffen wir das Beste.«
    Wieder machten wir uns an den anstrengenden Abstieg durch das Balloninnere. Die etlichen hundert Seilsprossen waren eine Prüfung. Annas Hände waren bald voller Blasen, und ich wäre fast zum wiederholten Male abgestürzt.
    Wir versammelten uns auf dem knirschenden, verkrusteten Schlamm. Schräg fielen die Sonnenstrahlen ein, und es war noch recht kühl unter dem gewaltigen Bauch des Ballons. Möwen und Würger waren praktisch überall, saßen auf den Kabeln, stritten sich über den Leichnamen vertrockneter, aufgeblähter Fische und erfüllten die Luft mit ihrem ohrenbetäubenden Geschrei. Ein paar flogen neugierig über unseren Köpfen herum, aber die meisten zogen es vor, uns zu ignorieren. Wahrscheinlich hatten sie noch nie Menschen gesehen.
    Getrieben vom Wind sank der Ballon auf unter fünfhundert Meter über der Meeresoberfläche. Tief genug für uns, um zuzusehen, wie sanfte Wellen einander auf dem goldgefärbten Wasser jagten. Dann wärmte die Sonne den Ballon soweit auf, daß er wieder ein Stück stieg, auf etwa sechshundert Meter. Wir trieben in eine dünne Wolkenbank, und Tau sammelte sich auf den Strängen und Wurzeln.
    Moses Moses fiel auf die Knie und starrte ergriffen auf den trockenen Schlamm. »Seht nur, wie dieser Schimmel wächst«, sagte er. Faserige, grünliche Fladen irgendeiner Schimmelart wucherten in den kleinen, nassen Senken zwischen den aufgeplatzten Erdschollen. »Hier sehen wir das Leben selbst. Dieser Schimmel hat seine Chance zum Leben ergriffen, auch wenn es kaum länger als vier Tage anhält. Seht nur, wie hier überall das Leben gedeiht, so vollständig und so dankbar. Diese Lebensinsel kann uns so manches lehren, wenn wir nur genügend Demut aufbringen, ihr zuzuhören.« Der Gründer seufzte. »Wenn ich so etwas sehe, spüre ich, wie ich aus lauter Torheit mein Leben verschwendet habe. So viele Jahre habe ich mit nutz- und sinnlosem Gezänk vergeudet. Und dabei hat in all diesen Jahrhunderten das größte Geheimnis hier gelegen, direkt vor meinen Augen.« Er sah uns mit Tränen in den Augen an. »Ich wünsche mir so sehr, noch einmal leben zu dürfen.«
    Ich sah Armbruster scharf an. »Professor, ist das dein Werk?«
    Das Neutrum zuckte die Achseln. Eine perfekte Kopie von Moses' typischer Bewegung. Mir wurde irgendwie komisch. »Ich brauche jemanden, der mich bei der

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