Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
Ihre Stiche riefen keine Schwellungen hervor.
    Manchmal verließen wir den Boden und kletterten über rauhrindige Lianen, die Senken wie ein Netz bedeckten. Ihre saprophytischen Wurzeln waren tief im Holz versunken. Zweimal mußte ich ganze Rudel haariger Spinnen abwehren, in deren zähen und engmaschigen Netzen sich meine Kameras verfangen hatten.
    Mittags legten wir uns schlafen und hingen dazu unsere Hängematten aus Zellmaterial an niedrige Äste. Nach drei Stunden wurden Anna und ich von einem lauten Reißen und dem dumpfen Aufprall Armbrusters auf dem Waldboden geweckt.
    Schimmel vernichtete unsere Tornister und Hängematten, und auch Annas Kleid. Armbruster gab der Heiligen einen Einteiler, der ihr viel zu groß war. Wir packten das, was uns noch geblieben war, in das zähe, synthetische Material unseres Zelts zusammen und legten uns dann zum Schlafen mehr schlecht als recht in die Bäume.
    Nach dem Aufstehen banden wir das Zelt um einen langen Holzpfahl, den Anna und ich auf den Schultern trugen.
    Wir marschierten bis Sonnenuntergang. Waren wir bisher auf dem sich sanft neigenden Gelände gut vorangekommen, so mußten wir bald mit einigen Hindernissen fertigwerden. Wir stießen auf größere Brocken urwüchsigen Kalksteins, die sich wie riesige Pilze aus dem dichten Bodenhumus schoben. Wir waren mit einer dicken Kruste aus fossilierten Muscheln und Knochen bedeckt und dicht bewachsen mit Schlingpflanzen. Farnen, niedrigen Büschen und kleinen Bäumen, derer, nackte, braune Wurzeln die Felsen wie würgende Schlangen umfangen hielten.
    Mit dem Einbruch der Nacht ertönte wieder das Dschungelkonzert. Über unserem kleinen Lager im Schutz einer verwitterten und zerbröckelnden Felskuppe erklang lautes Freudengeheul, dem ein Regen von abgestorbenen Zweigen und Exkrementen folgte. Tiefes Dröhnen und metallisches Kreischen, das von überall und nirgends zu kommen schien, fügte dem einen nervenzermürbenden Kontrapunkt hinzu. Wir würgten zerbröselnden Seetangkuchen hinunter, dem schon der erste ranzige Nachgeschmack anhaftete. Phosphoreszierende Kugeln irrten durch die Wipfel über uns, glühten rot, blau und grün und reflektierten manchmal winzige Lichtpunkte - die Augen der Baumbewohner.
    Als etwas Großes dumpf auftretend und schnüffelnd an uns vorbeikam, hatte ich endgültig genug. »Wir machen ein Feuer«, erklärte ich. Anna nickte sofort. Armbruster sagte nichts, reichte mir aber eine kleine Taschenlampe aus seinem Tornister.
    Ich trat auf einen Busch ganz in der Nähe zu. Er zog sich vorsichtig zurück. Mit einem furchtbaren Schrei attackierte ich den Busch, und er löste sich in einer Explosion in seine Bestandteile auf: lange, braune und vielgliedrige Zweige, flockenleichte,
    grüne Blätter und sogar zierliche Blüten mit winzigen Beinchen.
    »Tu ihnen nichts!« rief das Neutrum. Ich zog mich in unser Lager zurück, und ein leichtes Zittern durchlief meinen Körper. Armbruster hatte die Beine ausgestreckt, und ein melancholischer Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Der lange Marsch war seinen aquatischen Gehwerkzeugen nicht sehr gut bekommen. »Vielleicht verfügt er über unvorhergesehene Rückwirkungen«, sagte es. »Hier ist doch alles und jedes miteinander verbunden.«
    Ich sah mit gemischten Gefühlen auf die anderen Büsche. »Sind die hier alle so?«
    Armbruster zuckte die Achseln. »Einige sicher«, sagte es. »Die Mimikry ist hier recht fortgeschritten.« Mit einem Seufzer rutschte das Neutrum auf ein Mooskissen und legte seine müden Füße auf einen umgekippten Kalksteinfelsen. Dann begann es, sich die Beine zu reiben. »Genauer gesagt war dieses Schauspiel eben wohl mehr Tarnung als Mimikry«, bemerkte es.
    Bei der nächsten Suche hatte ich mehr Erfolg und kehrte mit einem Armvoll trockener Blätter, Zweige und Äste zum Lager zurück, die irgendwo gelegen hatten, wo der feuchte Nebel sie nicht erreichen konnte. Unglücklicherweise stellten wir fest, daß wir weder über Streichhölzer noch über anderes Gerät zum Feuermachen verfügten; Armbruster hatte in seiner aquatischen Lebensführung dafür nie Bedarf gehabt. Doch dann erklärte Anna uns die Technik des Feuerbohrens. Die Heilige und ich drehten einen trockenen Stab so lange auf einem Stück Holz, bis wir Blasen an den Fingern hatten, aber dann entstanden ein paar kleine Funken, auf die wir pusteten, bis daraus eine Flamme entstanden war. Als die trockenen Blätter Feuer fingen, hörten wir aus kaum zwei Metern Entfernung ein

Weitere Kostenlose Bücher