Video-Kid
typisch niwlindischen Geste den Kopf und machte Armi so klar, daß sie seine Frage für überflüssig hielt. »Wie seltsam. Ich habe keine Laterne mehr gesehen, seit ich ein kleines Mädchen war. Mein Ururgroßvater, der Katechet, hatte eine. Manchmal hat er sie mir gegeben. Jetzt paßt einmal auf, ihr beiden: Man dreht an diesem Rad, um den Stoffstreifen mit Öl zu tränken. Dann nimmt man den Glasstrumpf ab und entzündet den Streifen mit einem Streichholz.« Sie rieb das farbige Ende eines Hölzchens an einer Decksplanke, und mit einem Ploppen und Zischen entstand eine Flamme. Überrascht fuhren Armitrage und ich einen Schritt zurück. Fauchend ging die Flamme auf den Streifen über, und ein trübes, gelbes Licht beschien uns. Anna stülpte den Glasstrumpf wieder über, und ich hörte es viermal klicken, als Armitrages Kameras andere Linsen vorschalteten.
»Das ist ja eine Art Lampe!« rief Armitrage. »Wie bizarr! Sieh nur, Kid, sie macht Licht mit Feuer. Was für eine Verschwendung! Kaum auszudenken, wieviel Wärme dadurch verlorengeht.« Er schnalzte mit der Zunge.
»Aber ein interessanter Lichteffekt«, bemerkte ich. »Du siehst gut darin aus, Armi.«
»Meinst du?« sagte er erfreut. »Komm, wir wollen mal in dem anderen Laderaum nachsehen, was wir dort aufstöbern können.«
Glücklich, weil unsere Gedanken durch die neue Suche von der Angst abgelenkt wurden, begannen wir, den Laderaum an Steuerbord zu durchsuchen. Als erstes fanden wir ein Dutzend Bücher, von denen einige durch Meerwasser beschädigt waren. Armitrage warf sie uninteressiert beiseite, als wäre er Analphabet. Dann fand er eine automatische Taschenharfe, an der aber leider zwei Saiten fehlten. Ich entdeckte ein Schachbrett für drei Spieler mit sechseckigen Feldern, doch Anna konnte kein Schach.
Armitrage strich fast schon zärtlich über die glatte Oberfläche eines hüfthohen, zylindrischen Geräts, das mit etlichen Öffnungen und Zacken versehen war. »Kannst du dich noch daran erinnern, Kid?«
»Aber klar, davon habe ich schon eine Menge gesehen«, sagte ich. »Sieh lieber nach, ob es noch funktioniert, bevor du es ausprobierst. Das ist wohl das älteste, das ich je gesehen habe. Und ganz sicher das häßlichste.«
»Ich halte es für schnucklig«, sagte Armitrage. »Wir hätten uns ja denken können, daß der alte Scheinberg so etwas an Bord hat. Für längere Reisen, auf denen er allein ist.« Er beugte sich hinunter und küßte zart seine Plastikoberfläche. Anna, die noch immer die Laterne in der Hand hielt, sah ihm neugierig zu. Sie hatte offensichtlich keine Ahnung, was man mit dem Apparat anstellen konnte.
»Kann mir vielleicht jemand erklären, was das hier ist?« sagte sie und zeigte auf einen Metallzylinder, an dem ein Ring hing, und auf zwei offene Schuhe mit Rädern unter den Sohlen.
»Großer Tod! Sind das wirklich Rollschuhe?« entfuhr es Armitrage. Er verzog das Gesicht zu einer seltsamen Grimasse und ließ die kleinen Räder über seine Handfläche rollen. Die Räder rollten noch eine ganze Weile fröhlich und geräuschvoll in ihren Kugellagern. Die Fremdartigkeit dieses Anblicks löste bei uns allen ein schallendes, ungläubiges Gelächter aus, das fast fünf Minuten anhielt.
Schließlich warfen wir diese höchst besonderen Schuhe beiseite, und ich wandte mich dem Metallzylinder zu. Ein aufblasbares Rettungsfloß kroch heraus, als ich an dem Ring zog. Es wirkte verrottet, und alle Luft war aus ihm gewichen, als es als unförmiger, orangefarbener Haufen auf dem Boden lag. Wir starrten es schweigend an.
»Ist das das einzige Rettungsfloß an Bord?« fragte Sanktanna mit Grabesstimme.
»Ich glaube, ich habe in der Kabine noch eins gesehen«, sagte Armitrage ohne große Überzeugungskraft. Die unbeschwerte Heiterkeit war aus seiner Stimme verschwunden. Der Anblick eines muffig riechenden orangefarbenen Rettungsfloßes, das schlaff und Blasen werfend wie ein überdimensionierter Schimmelfleck dalag, versetzte unseren Hoffnungen einen ziemlichen Dämpfer. Gereizt trat Armitrage mit einem spitzen Stiefel dagegen, und mit einem lauten Zischen riß das Floß auf.
Wir setzten die Suche fort und fanden dabei eine ganze Reihe von Gegenständen, einer merkwürdiger als der andere: ein Glasauge, Krebsspeere, ein Plastikzelt, eine Flasche mit fleckigen weißen Tabletten, einen eingetretenen geflochtenen Korb, der zwei leere Flaschen enthielt, die versteinerten Überreste einer Mahlzeit und ein sorgfältig zusammengelegtes,
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