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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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anderes als das sorgfältig geplante Bemühen eines Kampfkünstlers um sein Image. Wenn er über eine Schwäche verfügte, dann war es seine offene und sorglose Passion für Sex. Wie bei den meisten Vielgeschlechtlern war auch sein Blutstrom eine einzige Woge von Hormonen und Libido-Stimulantien. Armitrage hatte ein Jahr lang als Pornostar gewirkt, aber dann damit aufgehört, weil seine vielen hundert Bänder bereits den Markt überschwemmten. Danach hatte er sich der Kampfkunst zugewandt, damit er weiterhin seine persönliche Gefolgschaft finanzieren konnte: zwei Frauen, zwei Männer und ein weiterer Vielgeschlechtler. Er hatte stets mindestens fünf Personen um sich herum, um seinen Wünschen zu frönen. Aber innerhalb seiner Gefolgschaft herrschte eine hohe Fluktuation, weil es ihn ständig nach etwas Neuem gelüstet. Armitrage war erst dreißig und doch schon zu einer Legende geworden.
    »Hör mal«, sagte er unvermittelt, »ich frage mich, was sie mit meinen neuen Bändern machen? Da ist ein wunderbares Band von meinem Kampf mit Dampfmaschine dabei, das in vier Tagen Premiere haben sollte. Und wie ist es mit dir, Kid?«
    Ich zuckte die Achseln. »Das letzte, was ich gemacht habe, war eine Bandrezension für Cewaynie Feuchtlocke. Dann war da noch ein Band über die Gang, aber das ist leider durchgefallen.«
    Armitrage lächelte. »Ich habe die Rezension gesehen. Du wist wohl im zunehmenden Alter weich, was? Feuchtlocke ist bei dir weitaus besser weggekommen, als sie es verdient hätte.«
    »Zeige doch nur einmal, daß du über etwas Gespür für Klasse verfügst«, sagte ich. »Cewaynie Feuchtlocke ist großartig. Dir fehlt eben das ›es‹. Entweder man hat ›es‹, oder man hat ›es‹ eben nicht.« Ich war froh, daß Armitrage wieder so gut gelaunt war, um mich aufzuziehen. Ich ließ ihn gewähren, denn uns beiden war klar, daß ich ihn jederzeit zusammenschlagen konnte.
    Armitrage sprang auf die Füße. »He, ich wette, Scheinberg hat einige seiner kostbaren Bänder hier auf dem Schiff! Laß uns die Laderäume durchstöbern und nachsehen, was wir finden können!«
    Die Albatros war ein hölzerner Katamaran von zehn Metern Länge und viereinhalb Metern Breite. Ihre beiden Hüllen waren mit einer dünnen weißen Keramikschicht überzogen, um die Angriffe von Bohrwürmern und anderem Getier abzuwehren und das Boot vor den scharfen Korallen zu schützen. An Deck befand sich eine hölzerne Kabine, in der sechs Personen schlafen konnten. Ich hatte sie mir bereits angesehen. Scheinbergs altes Angelzeug war dort abgestellt. Er selbst benutzte es nicht mehr, hielt es aber für seine Gäste zur Verfügung. Außerdem befand sich dort ein verstaubtes Regal voller gefüllter, vakuumversiegelter Gläser, die einige höchst unappetitlich anzuschauende Massen und Gegenstände enthielten; jedenfalls gewann man den Eindruck, sich unwiderruflich und sofort zu vergiften, wollte man den Inhalt eines dieser Gläser probieren.
    Scheinberg war für seine notorische Weigerung bekannt, jemals irgend etwas fortzuwerfen, was unter den ordentlichen und mit dem Bewußtsein der Wiederverwendbarkeit aller Materie gesegneten Bewohnern dieser Welt reichlich ungewöhnlich war. Es war nun nicht so, als wäre Scheinberg krankhaft sparsam, ganz im Gegenteil, nur kam es ihm eben nie in den Sinn, sich von irgend etwas zu trennen. Er hatte in und von der Vergangenheit so vieles verfallen und verschwinden sehen, daß ihn der Gedanke beunruhigte, was wohl aus dem werden würde, was ihm gehörte und was er geschaffen hatte. Er wollte, schlicht gesagt, nicht zusehen, wie die Entropie seine Vergangenheit verschluckte, kaum daß er sich herumgedreht hatte.
    Obwohl er heute nur noch selten mit der Albatros ausfuhr, war sie doch sein Lieblingsschiff. Sie war mindestens zweihundert Jahre alt, obwohl man sie so oft repariert und aufpoliert hatte, daß kaum noch ein Atom vom Urboot übrig war.
    Armitrage öffnete die Luke zur Backbordkammer und stieg über eine kurze Leiter in die Dunkelheit. »Was siehst du dort unten?« rief ihm Sanktanna neugierig zu.
    »Abfall«, sagte er. »Oh, Mann, hier unten riecht es vielleicht streng. Sieht so aus, als hätte man hier seit Jahrzehnten nicht mehr geputzt.« Wir hörten etwas scheppern und scharren. Armitrage schien fündig geworden zu sein. Sanktanna trat an die Luke, um hinunterzusehen. Armitrage reichte ihr ein zusammenklappbares, unfaßbar alt aussehendes Bildschirmgerät. »Ein kleiner Generator steht hier auch

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