Viel Rummel um Nichts
Loreley blieb das Fette-Chance-Kasino in einer instabilen Situation zurück, die möglicherweise in eine gefährliche umschlagen könnte. Mein Dienstherr setzte großes Vertrauen in das Androiden-Double, das er darauf hatte programmieren lassen, ihn täuschend echt zu imitieren. Ich indes hielt dieses Vertrauen für unangemessen hoch. Früher oder später mussten die kriminellen Elemente der Raumstation das Täuschungsmanöver zwangsläufig durchschauen.
Was dann geschehen würde, stand in den Sternen.
Maxine Pruet starrte finster auf den Holoschirm.
»Dieser hinterhältige Hurensohn!«, brüllte sie. Der Hauptmann war nur für einen kurzen Moment zu sehen gewesen, doch sie kannte dieses Gesicht fast genauso gut wie das Bild auf einer Dollarnote. In all den Jahren, in denen sie an der Spitze des Syndikats von Loreley stand, war er der einzige gewesen, der ihre Pläne durchkreuzt hatte. Hauptmann Joker, auch bekannt unter dem Namen Willard Narrisch, einziger Sohn und rechtmäßiger Erbe des Eigentümers der Narrisch & Damlack-Rüstungswerke.
Da war er nun, auf einem Planeten, der fast eine Viertelgalaxis entfernt lag. Maxine hatte nicht ganz mitbekommen, was genau er dort machte.
Tatsächlich hatte sie die Nachrichten nur deshalb eingeschaltet, weil ein gewisses Schuldgefühl sie plagte. Laverna war bislang Maxines Auge und Ohr zur Außenwelt gewesen und hatte ihre Chefin über alles informiert, was für das Geschäft möglicherweise von Belang war, während Maxine sich damit beschäftigte, die Organisation zu leiten und die Früchte ihrer harten, wenn auch illegalen Arbeit zu genießen. Nun, da Laverna sie verlassen hatte, verfügte Max über niemanden mehr, der die Geschehnisse der Außenwelt für sie verfolgte. Auch dafür war Narrisch verantwortlich.
Wie hatte der Hauptmann die Station verlassen können, ohne dass sie es bemerkte? Ihre Schnüffler hatten den Hauptmann fast jeden Tag im >Fette Chance< gesehen, und außerdem bewachten noch immer viele Legionäre das Kasino. Was also hatte es zu bedeuten, dass Narrisch und seine Kompanie auf Lanodoro waren, oder wie auch immer dieser Planet in der Reportage hieß? Es konnte nur eine Antwort auf diese Frage geben: Einer der beiden Narrischs war ein Double. So musste es sein - mitunter hatte auch Maxine einen berühmteren Entertainer in zwei oder drei ihrer Kasinos zugleich auftreten lassen; der Star hatte in jeder der Vorstellungen Alibiauftritte gemacht und Doppelgänger eingesetzt, um den Eindruck zu erwecken, er stehe öfter auf der Bühne, als es tatsächlich der Fall war. Narrisch inszenierte bestimmt eine ähnliche Gaunerei ...
Wie sollte sie nun ihre Entdeckung zum eigenen Vorteil nutzen? Ohne Frage durfte sie diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen - war man jemandem gegenüber im Vorteil, so nutzte man das auch aus. So lauteten nun einmal die Spielregeln.
Welch süße Rache wäre es, ihm endlich das >Fette Chance< wegzunehmen, nach all den Steinen, die er ihr in den Weg gelegt hatte.
Natürlich hing viel davon ab, welcher >Narrisch< der Hochstapler war. Maxine würde keinesfalls offen gegen ihn vorgehen, wenn er sich auf der Station befände und mit einem Gegenangriff reagieren könnte. Sie hatte bereits ihre Lektion gelernt und wusste, wie hart die Legion durchgriff, wenn sie sich zur Wehr setzte. Max wollte sich diese Lektion keinesfalls ein zweites Mal erteilen lassen.
Aber falls es sich bei dem Kerl im >Fette Chance< um den Doppelgänger handelte ... Nun, dann wären die Karten neu gegeben.
Es sollte keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten, die Wahrheit herauszufinden. Narrisch konnte es sich leisten, jemanden anzuheuern, der selbst eine recht gründliche Untersuchung glaubhaft meistern würde. Dennoch musste es Informationen geben, die Narrisch seinem Double bei der Einweisung nicht mitgeteilt haben konnte. Fragen, die der Doppelgänger nicht beantworten könnte, wenn jemand ihn damit überraschte. Maxine würde ihm nicht einmal persönlich gegenübertreten müssen. Ein einfacher Kommunikatoranruf würde ihr verraten, mit wem sie es zu tun hatte, wenn sie nur die richtige Karte ausspielte. Doch bevor sie anrief, musste sie auch die richtige Karte auf der Hand haben.
»Holo aus!«, fauchte Maxine. Die Projektion verschwand augenblicklich, und im Raum wurde es still. Bislang hatte das Holo sie nie beim Nachdenken gestört, doch war andererseits auch immer Laverna da gewesen und hatte ihr einen Großteil der Denkarbeit abgenommen.
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