Viel Rummel um Nichts
Legion waren sie sich im Grunde alle bewusst gewesen, dass man möglicherweise eines Tages auf sie schießen würde. Doch dass sich diese vage Erwartung nun bewahrheitet hatte, schockierte sie, und diesen Schock vermochte man sowohl in ihren Gesichtern zu sehen als auch in ihren Stimmen zu hören.
»Heute ist niemand verletzt worden«, fuhr Brandy fort. »Wir hoffen, dass das auch so bleibt. Aber wir müssen gewappnet sein, falls jemand wieder das Feuer auf uns eröffnet. Das bedeutet, wir müssen bereit sein, sofort zurückzuschießen.«
»Entschuldigung, Frau Hauptfeldwebel«, meldete sich einer der angetretenen Rekruten.
Brandy unterdrückte ein Aufstöhnen. Es war Mahatma, der ewig grinsende Rekrut, der jeden Befehl buchstabengetreu befolgte und zuweilen Fragen stellte, die niemand beantworten konnte; als wäre das noch nicht genug, blieb Mahatma beharrlich beim Thema, bis man den Verstand verlor bei dem Versuch, das Unerklärbare zu erläutern.
Brandy ahnte, dass Mahatma auch nun eine solche Frage stellen wollte. Vielleicht könnte sie ein wenig Zeit schinden. »Mahatma, ich denke, du solltest deine Frage noch eine Weile zurückhalten, okay?«
»Ist das ein Befehl, Frau Hauptfeldwebel?«
»Der Zeitpunkt ist schlecht gewählt, Mahatma.«
»Aber Frau Hauptfeldwebel, ich wollte doch nur wissen ...«
»Nicht jetzt, Mahatma!«
Das eintretende Schweigen war ohrenbetäubend.
Brandy funkelte ihre Rekruten an, doch niemand schien das Risiko eingehen zu wollen, den Kompaniefeldwebel noch mehr zu verärgern. Nur Mahatma lächelte nach wie vor; bei der nächstbesten Gelegenheit würde er wieder versuchen, seine Frage zu stellen.
Brandy schüttelte den Kopf und fuhr fort.
»In Ordnung. Wir stellen euch jetzt eine neue Waffe vor, mit der man unsere Kompanie ausgerüstet hat. Tatsächlich sind wir sogar die erste Legionseinheit, der man diese Waffe aushändigt dank der Beziehungen unseres Hauptmanns. Wir glauben, dass sie auf diesem Planeten sehr nützlich für uns sein wird, da wir es hier überwiegend mit Nicht-Kombattanten zu tun haben.«
Brandy drehte sich zu dem Tisch um, der direkt hinter ihr stand und mit einer großen Plane abgedeckt war. Sie hob einen Eckzipfel der Plane an, ergriff einen der darunter liegenden Gegenstände und wandte sich wieder den Rekruten zu.
»Das hier ist das narrensichere Modell SR-1«, sagte sie und hielt die Waffe hoch. »Die Hersteller sagen, die Waffe sei seit Jahrzehnten der erste wirkliche Fortschritt in der Entwicklung von Betäubungswaffen. Ich würde sagen, sie ist mehr als das - denn was mich betrifft, habe ich schon viele nichttödliche Schusswaffen gesehen, und diese ist die erste, die etwas taugt. Ich will damit sagen, dass dies hier die einzige Waffe ist, mit der ihr einen Gegner, der euch töten will, unschädlich machen könnt, ohne ihn dabei zu töten.«
Brandys Behauptung entsprach strenggenommen nicht der Wahrheit: Betäubte man etwa einen Fahrer, der sich in hoher Geschwindigkeit mit seinem Fahrzeug fortbewegte, oder einen Schwimmer oder einen Seiltänzer, so hätte dies durchaus den Tod des Betreffenden zur Folge gehabt. Und falls der Schütze in Panik geriet und den angreifenden Gegner aus nächster Nähe verfehlte, so nutzte ihm das Betäubungsgewehr genauso wenig wie jede andere Waffe auch. Allerdings half das Gewehr bei der Bewältigung verzwickter Situationen: wenn beispielsweise Freund und Feind in unentwirrbarem Kampfgetümmel miteinander rangen ...
»Jedem von euch wird in wenigen Minuten eins davon ausgehändigt. Aber zuerst werde ich euch die Bauteile des Gewehrs erläutern. Ich erwarte von euch allen, dass ihr hinterher jedes Bauteil benennen und mir dessen Funktion erklären könnt. Wir fangen mit der Mündung an. Das hier ist das Korn. Einige von euch haben vielleicht schon mit einem Gewehr geschossen, das nur einen sehr kleinen Zielbereich hatte. Ihr werdet feststellen, dass das Korn bei diesem Gewehr weitaus größer ist. Das ist aus zwei Gründen so. Zum einen wirkt der Strahl am ganzen Körper des Zieles, selbst wenn ihr nur einzelne Gliedmaßen trefft; erwischt ihr zum Beispiel euer Ziel lediglich am Fuß, erzielt ihr trotzdem noch den gewünschten Effekt. Zum anderen ist die Waffe mit einer Variablen Strahlstreuungsregulierung ausgestattet, oder kurz: VSSR, die man durch den Variablen Strahlstreuungsregler einstellen kann, auf den ich gleich zu sprechen komme ...«
Brandy spulte ihr Wissen in eintönigem Tonfall ab, und die Blicke der
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