Viel zu lange her
sie.
Sie hatte sich noch nie so allein gefühlt.
8. KAPITEL
Nur noch ein Tag …
Die vorletzte Nacht vor der Hochzeit ging scheinbar nie zu Ende. Tessa wälzte sich ruhelos im Bett herum und dachte ständig über ihr Dilemma nach. Endlich wurde es Morgen. Durch das Schlafzimmerfenster blickte sie in den klaren blauen Himmel. Die Wintersonne schien. Es war ein schöner Tag. Morgen würde es vermutlich auch so sein. Trotzdem fühlte sie sich erschöpft und ausgelaugt.
Sie zog sich an und ging zum Frühstück nach unten, aß eine Kleinigkeit und trank Kaffee. Aus dem Garten drang der Duft von Jasmin zu ihr. Manchmal dachte sie daran, wie Alice sich wie eine Klette an Isaac geklammert hatte. Doch das brachte nur sinnlose Aufregung.
Sie sollte sich nicht über Alice ärgern. Ihre Freundin hatte hundertprozentig das Recht, hinter Isaac herzujagen. Er war attraktiv und ungebunden. Mehr brauchte sie nicht zu interessieren.
Natürlich hatte Alice damals gewusst, was Tessa für Isaac empfand. Nach einiger Zeit war es Tessa jedoch gelungen, ihre Freundin und alle anderen davon zu überzeugen, dass sie sich von der Affäre erholt hatte.
„Ich bin über Isaac hinweg”, hatte sie immer wieder versichert. Und sie hatte den richtigen Ton getroffen, damit ihr alle glaubten. Ihre Angehörigen und Freunde hatten angenommen, er wäre zu einem jener vergessenen Geliebten geworden, die jede junge Frau hinter sich lässt, wenn sie erwachsen wird.
Isaac hatte Tessa nicht zu erkennen gegeben, dass seine Gefühle sich seit jenem Tag geändert hatten, an dem er aus ihrem Leben verschwunden war.
Sie hatte ihn nicht nach anderen Frauen gefragt, aber es hatte bestimmt Hunderte gegeben. Die leidenschaftlichen Küsse zwischen ihnen beiden bedeuteten ihm nichts. Jeder Mann hätte ähnlich reagiert, wäre eine Frau zu ihm ins Schlafzimmer gekommen. Kein Wunder, dass er sie verachtete! Es war auch nicht erstaunlich, dass er dies damit zeigt, indem er mit einer anderen ausging!
Taten waren überzeugender als Worte.
Es war erstaunlich, wie klar sie über ihre einseitige Beziehung mit Isaac nachdenken konnte.
Dachte sie jedoch an die bevorstehende Ehe mit Paul, geriet ihr Verstand ins Stocken. Ihre Gefühle waren, was diese Hochzeit anging, nicht in Ordnung, doch sie kam nicht auf das eigentliche Problem.
Es lag nicht an Paul. Er gab bestimmt einen wunderbaren Ehemann ab - geradlinig, wohlhabend, zuverlässig und großzügig. Niemand hatte sie gezwungen, etwas gegen ihren Willen zu tun. Paul hatte sie achtzehn Monate umworben, ehe die Verlobung bekannt gegeben wurde. In dieser Zeit hatte sie über ihre Gefühle nachgedacht und sie für ausreichend befunden. Vielleicht brachte eine Braut-dem Bräutigam normalerweise mehr als „ausreichende” Gefühle entgegen, doch dies hatte sie verdrängt.
Genau diese Unsicherheit störte sie jetzt. Wie konnte sie sich im letzten Moment darauf verlassen, dass alles gut werden würde? Andererseits - warum sollte es nicht so sein? Diese Hochzeit war sorgfältigst geplant.
Die Hektik ihrer Mutter half ihr nicht. Rosalind benahm sich wie ein Fünf-Sterne-General am Vorabend einer großen Schlacht. Sie teilte jedem in letzter Minute noch eine Arbeit zu.
Nicht einmal Lydia entkam ihr. Sie musste um die Damastservietten Schleifen aus goldener Gaze binden. Außerdem musste sie die auf den eleganten Platzkarten in goldener Schrift stehenden Namen mit Rosalinds Gästeliste vergleichen. Tessa fand, dass ihre Großmutter erstaunlich gute Miene zum bösen Spiel machte.
Offenbar hatte Rosalind bereits Isaac losgeschickt, um irgendetwas erledigen zu lassen. Etliche Aufgaben hatte Rosalind natürlich sich vorbehalten. Sie musste noch einmal zu Gardeners and Greene, die für den Blumenbogen verantwortlich waren und Tische und Stühle aufstellten. Sobald Rosalind mit allem zufrieden war, sollte Isaac an ihrer Stelle die Oberaufsicht übernehmen. Beim Partyservice musste noch Rückfrage gehalten werden, um sicherzustellen, dass es keine Probleme mit dem Personal oder dem Essen gab.
Es war eine gewaltige Aufgabe. Am Nachmittag des Empfangs sollten in Queen’s Gardens der Chefkoch mit vierzehn Küchenhe lfern und Kellnern und drei Wagenladungen von Ausrüstung anrücken.
Dann waren da noch die Floristen. Rosalind hatte bei drei Firmen Bestellungen aufgegeben, und die Blumen mussten zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt geliefert werden.
„Mum, ich sollte eigentlich viel mehr machen”, meinte Tessa. „Du hast dir
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