Viel zu lange her
ein, doch sie schob alle beiseite. Es war sinnlos. Isaac zeigte ihr schließlich bei jeder Gelegenheit, dass er sie verachtete. Außerdem spielte es keine Rolle mehr. Was er auch zu sagen hatte, änderte nichts. In vierundzwanzig Stunden würde sie Pauls Frau sein.
„Ich halte das für keine gute Idee, Isaac.”
„Tessa, es ist wirklich wichtig.”
Sie zögerte lange. „Tut mir Leid, aber ich kann nicht kommen”, sagte sie dann leise, legte vorsichtig den Hörer auf und achtete darauf, den Nagellack nicht zu beschädigen.
„Alles in Ordnung?” fragte Heather, während sie Tessas Finger inspizierte.
„Bestens.” Tessa nickte. „Hoffentlich habe ich Ihre wunderbare Arbeit nicht verdorben.”
„Nein”, erwiderte Heather lächelnd. „Wir sind auch schon fertig.”
Tessa betrachtete ihre eleganten Hände und Füße. Es war schön, dermaßen verwöhnt zu werden.
Sie dachte an das herrliche Hochzeitskleid und daran, wie sehr sie die kühle Seide am Körper und das Rascheln des Stoffes liebte. Eine Hochzeit war ein ganz besonderes Ereignis. Man heiratete nur einmal, und deshalb musste man auch das Beste daraus machen. Darum war sie auch froh, dass sie sich von Isaac die heitere Stimmung nicht zerstören ließ.
Als sie den Umkleideraum in dem taubenblauen Kostüm mit den dazu passenden Schuhen verließ, fühlte sie sich entspannt und attraktiv und wesentlich besser als in den vergangenen Wochen.
„Miss Morrow?” Game, die junge Assistentin, eilte auf sie zu.
„Ja?”
„Ihr Verlobter ist hier, um Sie abzuholen.”
„Paul ist hier?” fragte Tessa erstaunt. „Offenbar weiß er nicht, dass ich mit meinem Wagen gekommen bin.”
„Er hat jedenfalls den richtigen Zeitpunkt abgepasst”, meinte Carrie lächelnd. „Sie sind für ihn bereit.”
„Danke.” Tessa folgte ihr in den Eingangsbereich des Salons.
An dem Torbogen aus Spalier mit künstlichen Rosen drehte Heather sich um. „Sie sind vielleicht ein Glückskind”, sagte sie leise. „Ich dachte mir ja schon, dass Ihr Verlobter gut aussieht, aber der da schlägt ja alles. Wo haben Sie den bloß gefunden?”
Tessa erstarrte.
Isaac stand neben der Eingangstür, kam lächelnd auf sie zu und blieb vor ihr stehen. „Tess, du siehst …” Er schüttelte den Kopf und fand offenbar nicht die richtigen Worte, während er sie mit Blicken förmlich verschlang.
„Sie sieht hinreißend aus, nicht wahr?” meinte Carrie lachend. „Warten Sie erst bis morgen.”
„Hinreißend”, bestätigte er. „Ja, ich bin hingerissen.”
Tessa musste dieses peinliche Missverständnis aus der Welt schaffen. „
„Aber Carrie, das ist nicht mein …”
Bevor sie den Satz vollenden konnte, legte Isaac ihr den Arm um die Schultern. „Ich dränge dich nur ungern, Schatz, aber wir haben noch sehr viel zu erledigen.”
Carrie strahlte, und die anderen Mitarbeiterinnen des Salons drängten sich heran und wünschten viel Glück.
Tessa machte nie eine Szene, doch jetzt geriet sie ernsthaft in Versuchung. Daran änderte auch der verlockende Duft von Isaacs After Shave nichts. Sie brauchte nur seinen Arm von ihren Schultern zu schieben und zu erklären, dass dieser Mann ein Schwindler und keinesfalls ihr Verlobter sei.
Sie lächelte den Umstehenden steif zu und gestand sich ein, feige zu sein. Wenn diese Frauen das Hochzeitsbild in der Zeitung sahen, würden sie sich garantiert Fragen stellen und über sie reden. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für schwierige Erklärungen.
„Herzlichen Dank an alle!” rief sie, während Isaac winkte und sie zum Ausgang führte. Unter einem neuen Schwall guter Wünsche verließen sie den Salon.
Doch als sie Isaacs Wagen erreichten, der ganz in der Nähe stand, riss Tessa sich los. „Was fällt dir eigentlich ein?” rief sie. „Ich sagte doch, dass ich nicht mit dir sprechen möchte. Wie kannst du dich für Paul ausgeben?”
Er zuckte die Schultern. „Und ich habe dir gesagt, dass es wichtig ist. Ich muss mit dir sprechen. Du hättest mich weggeschickt, hätte ich meinen Namen genannt.”
Sie nickte. „Selbstverständlich. Um Himmels willen, Isaac, was hast du denn so Dringendes mit mir zu besprechen?”
„Nicht hier. Bitte, Tessa! Ich muss dir etwas Wichtiges erklären.” Er warf einen Blick auf die vorbeifahrenden Autos, ehe er hinzufügte: „Es geht um die Gründe, aus denen ich wegging.”
Sie fasste sich an die Brust. An jedem Tag der letzten neun Jahre hätte sie genau das hören wollen, doch
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