Viel zu lange her
nicht heute. Heute wünschte sie sich nichts weiter als Ruhe, damit sie sich auf morgen vorbereiten konnte. Was dachte Isaac sich bloß! „Dafür ist es bereits viel zu spät”, wehrte sie ab und wich vor ihm zurück.
Er störte sich nicht daran.
„Ich kann dich fahren, oder du kannst deinen eigenen Wagen nehmen. Aber ich möchte nicht mitten auf der Straße über unser Privatleben sprechen.”
Er streckte die Hand nach ihr aus und runzelte die Stirn, als sie vor ihm zurückzuckte.
„Kommst du, Tessa?”
9. KAPITEL
Tessa sah zu, wie Isaac auf die Fahrerseite seines Geländewagens eilte und im Vorbeigehen den treuen Satan streichelte. Keinesfalls wollte sie sich mit ihm am Vortag der Hochzeit heimlich auf das Boot schleichen, wie sie das als alberne Jugendliche getan hatten. Rosalind erwartete sie daheim. Paul war bestimmt auch da.
Als Isaac den Türgriff berührte, hörte Tessa sich selbst wider alle Vernunft leise sagen: „Also gut, ich komme mit.”
Er drehte sich rasch zu ihr um.
„Aber ich fahre in meinem Wagen zum Bootshafen.”
Isaac nickte. Seinem Gesicht sah man nicht an, was er dachte. Wortlos stieg er in den Wagen.
Das ist verrückt, hielt sie sich vor, während sie ihm folgte. Doch bei ihm hatte sie sich nie von gesundem Menschenverstand leiten lassen. Er brauchte nur zu winken, und schon kam sie angerannt.
Als Tessa den Parkplatz am Bootshafen erreichte, lehnte Isaac an seinem Wagen und streichelte Satan. Er sah zu, wie sie neben ihm einparkte, und betrachtete ihre langen Beine, als sie ausstieg.
„Du siehst in diesem Kostüm unglaublich elegant und sinnlich aus”, sagte er, sobald sie vor ihm stand.
„Danke”, erwiderte sie unsicher.
Er musterte sie eingehend. Sie war wegen Paul in den Schönheitssalon gegangen. Jetzt genoss sie es jedoch als geheime Rache, wie verlangend Isaac ihre geschminkten Lippen und ihre Brüste im Ausschnitt der Jacke betrachtete.
Sie durfte sich von seinem Interesse jedoch nicht beeinflussen lassen. Es war absolut nicht der richtige Zeitpunkt für einen Flirt. Sie wartete, während der kühle Wind mit ihrem Haar spielte. ”’
„Also, Isaac, was hast du mir zu sagen? Und mach es kurz, weil ich ohnedies schon zu spät heimkomme.”
Er sah angestrengt auf seine Uhr, als hätte er Schwierigkeiten, die Zeiger zu erkennen. Dann deutete er auf die Stufen, die zur Anlegestelle der „Antares” führten. Auf seinen leisen Pfiff hin sprang Satan vom Wagen.
„Warum kommt er mit?” fragte Tessa.
„Er ist ein guter Wachhund”, erwiderte er und betrat den Steg.
Sie folgte ihm, blieb vor der Jacht ihres Vaters stehen und zog die Schuhe mit den hohen Absätzen aus. Die Schuhe in der Hand, wiederholte sie die Frage. „Was willst du mir sagen?”
„Lass dir zuerst von mir helfen.”
Sie konnte nicht verhindern, dass der Rock hochrutschte, als sie auf das Deck trat und die langen Beine über die Reling schwang. Doch sie besaß genug Erfahrung auf dem Boot, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und gegen Isaac zu fallen.
„Platz, Satan”, befahl er seinem Hund, und das gehorsame Tier legte sich an Deck in eine schattige Ecke.
„Hat er schon einmal nicht gehorcht?” fragte Tessa.
„Nein, nie”, erwiderte Isaac. „Nicht, seit ich ihn ausgebildet habe. Als Welpe war er ziemlich wild.”
„Stammt daher sein Name?”
„Genau.”
Isaac schloss die Kabinentür auf und reichte Tessa die Hand, um ihr die Treppe hinunterzuhelfen. Sie wehrte dankend ab und schaffte es allein. In der Kabine blieb sie stehen, während er Bullaugen öffnete, um frische Luft hereinzulassen. Endlich warf er ihr einen forschenden Blick zu.
„Ich hatte Recht, nicht wahr? Du bist wegen der morgigen Hochzeit nicht gerade begeistert.”
Was für eine Frechheit! Das war ja wohl das Letzte, was sie hören wollte. „Du hast mich doch hoffentlich nicht hierher gelockt, um mit mir über Gefühle zu sprechen, die dich nichts angehen!”
Er lächelte. „Sieh mal, ich weiß, dass meine Rückkehr diese Woche für dich möglicherweise schwierig gemacht hat, aber …”
Sie fühlte, wie ihre Wangen glühten, und war überrascht, dass sie einen kühlen Ton anschlagen konnte. „Mach dir bitte um mich keine Sorgen, Isaac. Ich bin schon lange über dich hinweg.”
Sie hatte nicht erwartet, etwas Derartiges sagen zu können. Doch er sah bei weitem nicht so bedrückt drein, wie sie gehofft hatte.
Ein Windstoß fegte durch eines der Bullaugen herein und wehte ihr eine Locke vor die
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