Viel zu lange her
stehen und sich seine knappen, förmlichen Sympathiebezeugungen anzuhören, als wäre er bloß einer der Gäste.
„Wie geht es dir?” fragte er.
Sie versuchte vergeblich zu lächeln. „Ich habe mich schon besser gefühlt.”
Er nickte. „Dein Vater hat mir soeben die Geschichte mit Hammond erklärt.”
Er wirkte aufrichtig betroffen.
„Es ist schrecklich”, bestätigte sie. „Aber ich hatte schon vorher entschieden, die Hochzeit abzusagen. Da wusste ich noch gar nichts davon.”
„Tatsächlich?”
„Ich … ich habe ihn nicht geliebt.” Tessa fühlte sich erschöpft, als hätte sie sich einen hohen Berg hinaufgekämpft und würde es jetzt nicht mehr bis zum Gipfel schaffen. Und Isaac half ihr nicht. Er war völlig beherrscht.
„Es war ein ziemlicher Schock, dass du alles in letzter Minute abgesagt hast”, fuhr er fort.
„Mich hat es jedenfalls fast umgehauen. Ich dachte, du würdest einfach zu spät kommen.
Bräute kommen meistens zur Hochzeit zu spät, nicht wahr?”
„Sagt man”, erwiderte sie. „Es war für alle ein Schock.”
Wie konnte sie so beiläufig und distanziert sprechen, obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschte, als sich Isaac an die Brust zu werfen?
„John hat gut gesprochen.”
Sie nickte.
„Es geht dir also gut?”
Ein zweites Mal konnte sie auf diese Frage nicht antworten. „Isaac, meine Mutter hat mir gestanden, wieso du fortgegangen bist. Sie erzählte mir, was sie getan und wie sie dich belegen hat.”
Das konnte sie ihm einfach nicht verschweigen.
Hätte er ihr auch nur das kleinste Zeichen gegeben, hätte sie noch viel mehr gesagt - dass sie ihn gerade wegen der jahrelangen schmerzlichen Trennung mehr als je zuvor liebte. Doch unter seinem kalten Blick schwieg sie.
„Ich bin sehr müde”, antwortete sie nun doch mit einem gepressten Lächeln auf seine Frage.
„Und leicht benommen.”
„Es tut mir Leid.” Er blickte zur Seite. Ein Muskel zuckte in seiner Wange. „Es tut mir Leid, wenn ich euch alles durch meine Rückkehr verdorben habe. Es war ein denkbar schlechter Zeitpunkt.”
Mehr hatte er nicht zu sagen? Tessa biss sich auf die Unterlippe und streichelte Satan, um ihre Betroffenheit zu verbergen. Am Vorabend ihrer Hochzeit mit einem anderen Mann hatte sie sich Isaac angeboten, und er hatte sie genommen. Seine Leidenschaft war so heftig wie ihre gewesen.
Gemeinsam hatten sie den Zauber der Liebe erlebt.
Und er sprach nur von einem denkbar schlechten Zeitpunkt!
„Ganz abgesehen von dieser Geschichte mit den Grundstückskäufen, lief es zwischen Paul und mir nicht wirklich gut”, erwiderte sie so lässig wie möglich. „Meine Entscheidung hatte eigentlich nichts mit dir zu tun.”
Nur dass sie zu ihm gehörte …
Er wirkte erleichtert und konnte sogar lächeln. „Das ist gut. Freut mich zu hören. Ich wollte ganz sicher nicht deine Hochzeit platzen lassen.”
Danach blickte er rasch auf die Bucht hinunter. Sie folgte seinem Blick. Eine frische Brise wehte vom Wasser herauf, ließ die Palmwedel rascheln und kündigte nach dem angenehm warmen tropischen Wintertag einen kühlen Abend an. Die Sonne stand schon tief am Horizont und schickte goldene Strahlen über den dunkler werdenden Abendhimmel. Auf der nahen Wiese schimmerten die rosa Blüten, die von einem Tabebuia-Baum gefallen waren.
„Ich fahre jetzt”, sagte Isaac plötzlich.
„Nach Hause?” Ihre Lippen bebten.
„Nicht zu dir, sondern zu mir nach Hause. Ich hatte meine Sachen schon gepackt, weil ich mich sofort nach der Hochze it auf den Weg machen wollte. Mit deinen Eltern habe ich bereits gesprochen. Ich fahre wieder zurück in den Westen.”
Nein, Isaac, wollte sie schreien. Ich habe allen gesagt, dass ich dich liebe. Ich muss es auch dir sagen!
Doch er stand vor ihr und wollte nichts weiter, als so schnell wie möglich zu verschwinden. Da wusste sie mit letzter Sicherheit, dass er nichts hören wollte.
„Ich habe alles schwierig genug gemacht”, meinte er und zuckte die breiten Schultern.
„Ich muss fort, damit du und deine Familie … ihr braucht Abstand, um über das alles hinwegzukommen und euch neu zu orientieren.”
„Wieso diese Eile?” fragte sie verzweifelt.
„Du … du kommst heute ohnedies nicht weit, wenn du so spät losfährst.”
Er lächelte betrübt und schüttelte den Kopf, als lohnte es sich nicht, auf ihren armseligen Versuch zu antworten, ihn aufzuhalten. Dann trat er auf sie zu und legte ihr die Hände auf die Schultern.
Der
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